Kamillenblüten im Whirlpool
Neben und mit dem Craft-Bier-Boom hat in den letzten Jahren auch das Thema Homebrewing einen ordentlichen Schub erfahren. Ein Blick in die heimische Szene, in der Kreativität und Professionalität immer mehr zunehmen.
Eigentlich sollte am Brautag der Bier IG, einer gemeinnützigen Interessensvertretung der Bierkonsumenten, nur das alljährliche Vereinsbier eingebraut werden. Dass man sich im Lichtenthaler Bräu gemeinsam mit Braumeister Malte Feldmann neben dem Wiener Lager schließlich noch an einem zweiten Bier versucht hat, war einer spontanen Idee geschuldet: „Es waren alle möglichen Kräuter im Haus und wir haben gesagt, lassen wir einfach mal den Hopfen weg“, erzählt Johannes Grohs vom Beer Store Vienna im zwölften Bezirk, wo das Ergebnis dieses Experiments wenige Wochen später in kleiner Runde verkostet wird. „Es ist definitiv trinkbar geworden, also nicht zu übertrieben von der Kräuteraromatik und auch nicht zu süß. Die Süße vom Malz wird normalerweise von der Bittere des Hopfens balanciert. Das ist ohne Hopfen halt etwas schwieriger.“
Es ist diese Unberechenbarkeit, die das Ausprobieren von ungewöhnlichen Zutaten für die anwesenden Hobbybrauer so spannend macht. „Wir sind extrem experimentierfreudig“, meint etwa Matthias, der mit seiner Freundin Lisa – beide studieren an der Boku – regelmäßig zu Hause braut. „Der letzte Sud war zum Beispiel mit Kamillenblüten im Whirlpool (ein Gefäß, das zur Klärung der Bierwürze dient; Anm. d. Red.) und mit Schwarztee bei der Gärung. Wir experimentieren aber auch mit Früchten – etwa Melone oder Ribisel.“ Wobei: „Das Melonenbier war etwas daneben. Das hat so geschmeckt, wie wenn man eine Melone zu lange stehen lässt.“
Von Märzen bis Fruchtbier
Die ersten Sude hat Matthias noch im Kochtopf eingebraut. Nach dem siebten Mal Brauen in weniger als vier Wochen hat er sich dann eine 20-Liter-Anlage zugelegt. Seitdem, es ist etwas mehr als ein Jahr her, hat er vierzig Mal gebraut – von Märzen bis Fruchtbier und von IPA bis Stout, so ziemlich alle erdenklichen Bierstile. Er gehört damit zu jenem Typ Hobbybrauer, den Karin Vouk von der Bier IG als „kreativ und innovativ“ beschreibt. Diesen jungen und urbanen Hobbybrauern stünden ältere und solche aus dem ländlichen Raum gegenüber – der eher konservative, bodenständige Typ. Damit hänge auch zusammen, so Vouk, wie sich die Hobbybrauer informieren und wo sie einkaufen: „Online ist die Rohstoffauswahl viel größer als im stationären Handel.“
Auch Matthias hat seine Zutaten anfangs übers Internet bestellt. Seit der Eröffnung des Beer Store Vienna Ende letzten Jahres ist er aber hier Stammkunde. Dass er sich mit den Betreibern über spannende Craft Biere, die Vorzüge von Spezialgläsern und die schlechte Hopfenernte austauschen kann, macht ihm sichtlich Spaß. Johannes Grohs: „Wir sind das einzige lokale Geschäft in Wien, das Hobbybrauzeug anbietet – sowohl Equipment als auch Rohstoffe. Es gibt sonst nur den Holzeis in Altlengbach draußen, und das war es österreichweit eigentlich schon wieder.“
Der angesprochene Holzeis heißt mit Vornamen Michael und hat 2004 den Traditionsbetrieb Kellereibedarf Knopf übernommen. Die Bierbrau-Abteilung sei mittlerweile für einen großen Teil des Gesamtumsatzes verantwortlich, so der Unternehmer: „Sie ist nun auf gleicher Höhe wie Schnapsbrennen und Weinherstellung zu sehen.“ Wobei der Online-Versand bereits 70% des Umsatzes ausmache. Selbst ist Holzeis Ende der 80er-Jahre durch eine Reportage auf das Thema Homebrewing gestoßen. Der ursprünglich anglo-amerikanische Trend sei nach dreißig Jahren nun auch hierzulande angekommen, der Bedarf zuletzt stark gestiegen.
Fahrt aufgenommen
Auch Ralf Leukart, Vertriebsgruppenleiter beim Unternehmen Speidel, dem Marktführer in Sachen vollautomatische Hobbybrauanlagen, bestätigt diese Entwicklung: Während das im Ausland schon länger der Fall sei, habe der Markt im deutschsprachigen Raum erst in den letzten drei Jahren richtig Fahrt aufgenommen.
Und noch einen Trend kann Leukart ausmachen: „Vor wenigen Jahren waren es hauptsächlich Enthusiasten, die alles von Grund auf selbst machen wollten. Die haben auch ihr Equipment selbst gebaut.“ Es sei dabei nicht zwingend um die Bierqualität gegangen – „Hauptsache selbst gemacht“. Heutzutage stünde hingegen das reine Brauerlebnis mit hochwertigen Ergebnissen im Vordergrund, so Leukart, „mit professionellem Equipment, angelehnt an professionelle Brauereien“.
Mit dem Braumeister 20 hat das deutsche Unternehmen, das seit 2003 im Hobbybraugeschäft tätig ist, für viele das beste Gerät im Angebot. Speidels Vertriebspartner Holzeis kommt dabei richtig ins Schwärmen: „Die kleinste Brauerei der Welt mit dem besten Preis-Leistungs-Verhältnis. Ab rund 1.500 Euro ist man dabei.“ Aber auch im Beer Store Vienna empfiehlt man den Braumeister 20. Johannes Grohs: „Du hast alles in einem, das braucht weniger Platz. Du hast eine automatische Temperatursteuerung – aufs Grad genau –, tippst wie in einer großen Brauerei das Maischprogramm ein und er macht das dann von alleine. Du hast also weniger Prozessschritte.“ Und auch die Größe erscheint Grohs für Hobbybrauer ideal: „20 Liter ist nicht das Mindeste, was man machen kann, aber das Mindeste, was halbwegs Sinn ergibt. Speidel bietet auch eine 10-Liter-Variante an, aber man braucht fürs Brauen der jeweiligen Menge die gleiche Zeit – und 10 Liter Bier, das ist gerade einmal eine Kiste. Du arbeitest also eineinhalb Tage lang für eine Kiste Bier, und wenn du dann ein paar Freunde zum Verkosten einlädst, ist alles in kürzester Zeit ausgetrunken.“
Mehr oder weniger Technik
Mit einfacher gehaltenen Brau-Sets aus mehreren Komponenten lässt es sich auch schon um einige Hundert Euro brauen – mit allen Teilschritten: vom Maischen über das eigentliche Brauen, das Läutern, das Hopfenkochen bis hin zum Vergären und Reifen. Noch weniger Technik benötigt, wer beispielsweise auf fertig gehopftes Malzextrakt zurückgreift und sich so einige Arbeitsschritte, aber auch Gestaltungsmöglichkeiten, abnehmen lässt. Oder man macht es wie Alexander Grübling und Stefan Grech, die seit 2006 als Hobbybrauer aktiv sind und zu Hause stets ohne Anlage gebraut haben: „So wie man es sich halt vorstellt“, erzählt Grech, „also nicht gerade in der Badewanne, aber im 20-Liter-Bottich. Sonst braucht man eigentlich nur kleinere Tools wie Fässer, Kübel, Flaschen, eine Küchenwaage und Geräte zum Messen von Stammwürze und Restextrakten.“
Den beiden hat damals das, was am heimischen Markt an Bier erhältlich war, nicht zugesagt. Erste Versuche mit IPAs und Stouts, wie sie sie aus dem Ausland kannten, haben dann zu gewagteren Experimenten und neuen Geschmacksrichtungen geführt – mit selbst importierten Zutaten wie etwa diversen Hopfensorten aus Kalifornien. Nach all den Jahren und mit einer Mappe voller Rezepte haben sie jetzt unter dem Namen Zeux den Schritt zum Nebenerwerbsbrauer gewagt. Grübling: „Wir sind wie Musiker in einem Proberaum, die jahrelang proben, proben, proben und dann irgendwann das Gefühl haben, so jetzt könnten wir mal ein Konzert spielen.“
Das nächste Level
Ähnliches gilt für Johannes Grohs, der mit seinem Partner Alex Beinhauer seit Kurzem wie auch das Zeux-Duo als Wanderbrauer, also zu Gast in wechselnden Brauereien, größere Sude einbraut. Während es für Grübling und Grech neben ihrem Brotjob vor allem um den Spaß an der Sache geht, versteht Grohs seine Marke Next Level Brewing als zweites Standbein für das Bierfachgeschäft. Die Entwicklung, dass sich Hobbybrauer als haupt- oder nebenberufliche Kleinbrauer versuchen, erkennt auch Karin Vouk. Bei den jährlichen Staatsmeisterschaften der Bier IG, der Austrian Beer Challenge, hat sie überdies einen Anstieg von Qualität und Kreativität bei den Hobbybrauern beobachtet: „Wurde früher eher versucht, das Lieblingsbier nachzubrauen, so lassen sich die Hobbybrauer heute viel Neues einfallen. Sie sind den Trends dabei oft voraus.“
Bleibt noch die Frage nach der Größe der Heimbrauerszene. In Wien gäbe es vielleicht 300 Heimbrauer, schätzt Johannes Grohs und nennt diesen Wert eher optimistisch. Die Bier IG setzt vage bei mehreren Hundert Heimbrauern österreichweit an, 65 davon haben an der Austrian Beer Challenge teilgenommen. In einer anderen Dimension denkt Michael Holzeis als mit Abstand größter heimischer Anbieter: 5000 bis 7000 Hobbybrauer halte er für eine realistische Einschätzung. Mit dem Potenzial, in den Folgejahren sogar die 10.000er-Marke zu knacken.
Stammtische und mehr
Die Bier IG Österreich, eine gemeinnützige Interessensvertretung der heimischen Bierkonsumenten mit österreichweit etwa 1000 Mitgliedern, veranstaltet laufend Stammtische für Hobbybrauer. Eine Mitgliedschaft bei der Bier IG ist nicht Voraussetzung für die Teilnahme.
Im Rahmen der Austrian Beer Challenge, der jährlich abgehaltenen Staatsmeisterschaften der Bier IG, werden neben gewerblichen Brauereien auch Hobbybrauer ausgezeichnet. Die Preise in den Hobbybrau-Kategorien für das Jahr 2015 werden am 21. November im Rahmen des Craft Bier Fest Wien verliehen.