Wie geht’s weiter im Supermarkt?
Supermärkte gehören stärker zu unserem Alltag als vielen lieb ist. Da sollte man einmal in die Zukunft blicken.
Der Journalist Peer Schader betreibt mit seinem Supermarkt-Blog ein unterhaltsames Portal rund um die allseits verbreiteten Lieferanten für Alltagsbedarf. Wir haben den Berliner gefragt, wie die Zukunft der Supermärkte aussieht.
BIORAMA: Werden wir in Zukunft unseren Kühlschrank per Smartphone einkaufen lassen oder werden wir weiter selbst zum Supermarkt gehen?
Ich glaube, da gibt es kein Entweder-Oder. Auch wenn ich mir nicht so sicher bin, ob ich meinen Lebensmitteleinkauf von meinem Kühlschrank erledigt haben möchte, der dann ja nicht nur Internetanschluss bräuchte, sondern auch wissen müsste, auf was ich Appetit habe. Realistisch ist, dass die Artikel, die regelmäßig gebraucht werden, per Lieferung nach Hause kommen; und wenn wir uns fürs Kochen inspirieren lassen wollen, gehen wir weiter in den Super- oder Biomarkt.
Vom Biobauern bis zum Discounter experimentieren gerade viele mit Online-Portalen. Wer gerät eigentlich am stärksten unter den Wettbewerbsdruck des Online-Handels?
Händler, die sich gar nicht auf Online-Bestellungen einstellen, begehen einen schweren Fehler. Ich glaube, jede Handelskette muss auf die eine oder andere Weise einbeziehen, dass sich die Bedürfnisse der Kunden ändern. In den großen SB-Verbrauchermärkten werden immer seltener Kühlschränke und Fernseher gekauft, weil die Leute Elektronik online ordern und sich nach Hause bringen lassen. Gut möglich, dass auch klassische Supermarkt-Sortimente stärker unter Druck kommen, weil die Leute keine Lust auf Schleppen haben und weniger Getränke oder Hundefutter im Laden kaufen.
Eigenmarken sind im Lebensmitteleinzelhandel weiter auf dem Vormarsch. Die großen Ketten haben mittlerweile eigene Marken für Bio, Vegan, Billig, Gourmet … In Großbritannien bietet Planet Organic sogar eine Paleo-Eigenmarke an. Hält der Trend an und werden Erzeuger hinter den Eigenmarken immer unsichtbarer und austauschbarer?
Für die Supermarktketten ist es ein großer Vorteil, sich über Eigenmarken zu definieren – die dann freilich auch die Qualität erfüllen müssen, die die Kunden erwarten. Das wird den ganz großen Marken auf Dauer nicht so sehr schaden wie kleinen, weniger etablierten. Es gibt sicher Grenzen für die Supermärkte, wie weit eine Differenzierung gehen kann. Aber in diese Nische stoßen speziellere Handelskonzepte wie Planet Organic oder Veganz, indem sie Nischen ernst nehmen und sich über eigene Marken für konkrete Zielgruppen profilieren.
Wie steht es um die verpackungsfreien Supermärkte, die in Großstädten eröffnen? Ist das Konzept vielleicht auch etwas für große Ketten?
Ich bin nicht sicher, ob sich eigenständige verpackungsfreie Supermärkte im großen Stil durchsetzen können – einzelne Märkte in großen Städten vielleicht schon. Aber es ist wahrscheinlich, dass diese Idee in immer mehr Läden integriert wird. In vielen Supermärkten südlicher Länder gehört es seit jeher zum Angebot, sich Nüsse oder getrocknete Früchte selbst abzufüllen. Das klappt auch mit Nudeln und Müsli prima. Wieso nicht auch bei uns?
Bio war in Deutschland jahrzehntelang Angelegenheit des Fachhandels. Inzwischen gibt’s Bio bei jedem Discounter. Was wird aus dem Bioladen?
Ich hoffe, dass Bioläden weiter eine Alternative zum klassischen Discount-Bio bieten, indem sie kleine Hersteller fördern und auf Trends reagieren bzw. offener für Neuerungen sind als das im Mainstream möglich ist. Die Konzepte werden sich weiterentwickeln, neue Schwerpunkte finden – so wie Planet Organic und As Nature Intended in Großbritannien bzw. Ekoplaza und Marqt in den Niederlanden. Schon über die Atmosphäre im Laden und die Breite des Angebots lässt sich das ja steuern.
Regionalität finden alle super. Die Supermarkt-Riesen reagieren mit Eigenmarken. Dabei spricht sich langsam herum, dass Regionalität nichts über Qualität aussagt. Was wird der nächste große Verkaufs-Trick?
Der Trend zur Regionalität dürfte wohl noch eine Weile anhalten. Natürlich sind da auch die Kunden in der Pflicht, sich nicht von einfachen Tricks über den Tisch ziehen zu lassen, sondern sich zu informieren: Was bringt es wirklich, regional einzukaufen – und wo? Es kommt halt nicht alles vom idyllischen Bauernhof nebenan, den sich viele Verbraucher vorstellen.
Haben Produzenten eigentlich in Zukunft noch eine Chance, ihre Produkte unabhängig zu vermarkten, oder sind Supermärkte mit 90 Prozent Eigenmarken-Anteil im Regal die Zukunft?
Der Druck wächst auf jeden Fall. Wenn jeder Supermarkt allerdings bloß sein eigenes Etikett auf dasselbe Produkt klebt, das es mit anderem Label auch bei der Konkurrenz gibt, gewinnt keiner. Ich glaube, die Händler sind gut beraten, sich Hersteller als Partner ins Boot zu holen und über Produktneuerungen und -entwicklungen gemeinsam zu beraten. Umgekehrt brauchen Produzenten starke Argumente, mit denen sie den Preisaufschlag für ihre Markenprodukte rechtfertigen können: besondere Rezepturen, Rohstoffe und Herstellungsprozesse zum Beispiel.
Spätis oder Sonntags-Shopping sind mancherorts Alltag und andernorts Mangelware. Werden wir in einigen Jahren flächendeckend rund um die Uhr einkaufen gehen können? In welche Richtung wird sich das entwickeln?
Da gibt es in Deutschland sicher weiterhin großen Widerstand von Gewerkschaften und Kirchen. In den großen Städten sind viele Läden ja jetzt schon bis kurz vor Mitternacht geöffnet. Womöglich ist die Zahl der Kunden, die dienstagmorgens um halb vier noch ein Joghurt kaufen wollen, auch gering – erst recht in kleineren Gemeinden.
Es gibt jetzt schon Riesen-Verbrauchermärkte, in denen jedes erdenkliche Produkt des alltäglichen Bedarfs gekauft werden kann. Wird der Lebensmittelmarkt im eigentlichen Sinne über kurz oder lang verschwinden?
Nein, ich glaube eher, dass die Entwicklung in zwei unterschiedliche Richtungen geht: große, europäische Ketten, die den Mainstream bedienen, zugleich aber Platz für Nischenmärkte lassen, die sich voll und ganz den Bedürfnissen ihrer speziellen Zielgruppe verschreiben und dadurch im Markt behaupten können. Sicher ist, dass sich der Lebensmittelmarkt in den kommenden Jahren noch einmal deutlich verändern – und womöglich konzentrieren – wird. Schon weil die beiden Konzepte Discount und Supermarkt eine immer größere Schnittmenge haben werden, weil sie kontinuierlich modernisieren, um attraktiv zu bleiben.