Angry Old Man: Neil Young – 5 Notizen zum 70. Geburtstag
Der am 12.November 1945 in Toronto, Ontario geborene Neil Percival Young ist so etwas wie ein lebendes Paradoxon. Wer außer Neil Young hätte es schaffen können, einerseits als der Inbegriff eines ewigen Hippies zu gelten und andererseits 30 Jahre nach Woodstock Pate der räudigen Grungebewegung der 90er Jahre zu werden? Seine rebellische Attitüde, die wiederum wenig mit dem „Love & Peace“-Mantra der sechziger Jahre zu tun hat, hat ihm sicherlich dabei geholfen. Und auch musikalisch hat der Kanadier einige Bockspünge unternommen, Neil Youngs Schaffenskraft scheint ungebrochen. Young ist wohl eine der schillerndsten Figuren des Rock´n Roll. Fünf Notizen zu dem „Godfather of Grunge“, von Klaus Wienerroither.
01 Neil Young hat nie wirklich „young“ ausgesehen.
Dieser Kalauer musste einfach sein. Selbst auf Filmaufnahmen von „Buffalo Springfield“, der ersten erfolgreichen Band, bei der Young gespielt hat, wirkt der etwa 20-jährige Neil nicht jugendlich. Besonders schön ist da ein Mitschnitt aus einer 1967 in Hollywood aufgezeichneten Fernsehshow, bei der Neil in einer ziemlich beeindruckenden Fransenjacke mit noch beeindruckenderen Koteletten, die mich, ehrlich gesagt, an den Film „Planet der Affen“ erinnern, die Bühne entert. Energetisch war und ist er natürlich immer. Aber jugendlich, so wie Elvis und die Beatles es am Anfang ihrer Karrieren waren?
02 Neil Young bevorzugt den „first take“ bei Gesangsaufnahmen.
Diese Information habe ich aus einem Young-Interview mit einer Musikzeitschrift. Neil glaubt an das Besondere und die nicht reproduzierbare Frische einer einmaligen Aufnahme. Emotion schlägt Perfektion. Youngs manchmal fragile, manchmal schneidende, immer unverwechselbare Stimme klingt für mich nach wie vor jungenhaft und konterkariert damit sein Aussehen.
03 Neil Young bewegt sich als Texter zwischen den Polen Genie und Wahnsinn.
Als Texter ist Young schwer auszurechnen: Von naiv-patriotischen, um nicht sagen unreflektierten Songs wie „Let´s roll“ bis hin zu bitterbösen Abrechnungen mit dem Establishment a la „This note’s for you“ hat er alles Mögliche abgeliefert. Das liegt vielleicht an seinem Temperament. Young musiziert aus dem Bauch heraus, ihm ist Spontanität wichtig (siehe auch Notiz Nummer 2). Das kann natürlich manchmal in diese Hose gehen. Musikanten ohne Fehl und Tadel sind sowieso langweilig.
04 Neil Young wird wohl noch am Sterbebett Alben aufnehmen.
Unermüdlich veröffentlicht der Kanadier Album um Album. In den letzten beiden Jahren waren es etwa gleich drei Stück. 37 Soloalben seit dem Jahr 1968 sprechen da eine klare Sprache. Dazu kommen noch drei Alben mit Buffalo Springfield, das sehr erfolgreiche Studioalbum „Deja Vu“ von Crosby, Stills, Nash and Young aus dem Jahr 1970. Diese Formation, deren interne Streitigkeiten Legendenstatus haben, hat in den 80er und 90er Jahren noch zwei Studioalben veröffentlicht. Young ist vielleicht kein richtiger Teamplayer, aber er ist ein großartiger Captain von einer Band wie „Crazy Horse“, die nur mit Young diese spezielle Magie, sowohl live als auch im Studio, entwickeln konnte.
05 Neil Young mag keine MP3s.
Young war einer der härtesten Kritiker der Digitaltechnik, die sich mit der Einführung der CD Anfang der 80er Jahre durchsetzte. Besonders der Klang der um die Jahrtausendwende auftauchenden MP3-Formate war ihm ein Dorn im Ohr. Kurzfristig war er dann dank neuer digitaler Formate wieder versöhnt. Im letzten Jahr beschloss er, einen eigenen Online-Musikdienst namens Pono zu gründen und Musik anzubieten, die angeblich so klingt wie „während der Aufnahme im Tonstudio“. Es geht hier, fachchinesisch ausgedrückt, um noch höhere Kilohertz-und Bitraten, also um eine angeblich verlustfreie Kompression der Audiodaten. Namhafte Toningenieure haben Kritik an diesem Projekt geäußert. Es sei wissenschaftlich nicht erwiesen, dass das menschliche Ohr diese höheren Raten überhaupt wahrnehmen kann. In diesem Fall scheint der gute Neil doch ganz der esoterische Hippie zu sein.
Am 13. November 2015 widmet sich Radio Ö1 ab 23.03 Uhr in der Sendung „Spielräume“ (Nachtausgabe) Neil Young. Folgende Gäste diskutieren, spielen live Songs von Neil Young und präsentieren ihre liebsten Aufnahmen des Kanadiers: die Salzburger Singer/Songwriterin Mel Mayr, Thomas Pronai und Julian Schneeberger von der burgenländischen Band „Bo Candy and his broken hearts“, der Wiener Gitarrist Andy Bartosh sowie der Mödlinger Journalist und Kabarettist Guido Tartarotti. Text und Moderation: Klaus Wienerroither.
Die AUTO-Biographie „Special Deluxe“ ist in deutscher Übersetzung bei KiWi erschienen.