10 europäische Urwälder und wie du sie besuchen kannst
Der Umweltschützer, Fotograf und BIORAMA-Autor Matthias Schickhofer hat für seinen neuen Bildband „Unser Urwald. Die letzten wilden Wälder im Herzen Europas““ 77 magische Waldorte im Herzen Europas bereist und fotografisch dokumentiert. Für BIORAMA beschreibt er zehn davon – samt GPS-Koordinaten sowie sinnvoller Reise- und Geheimtipps.
Die ursprünglichen Wälder in Mitteleuropa wurden in den letzten Jahrhunderten fast zur Gänze eliminiert. Fast. In Schutzgebieten und an verborgenen Orten in den Alpen, Karpaten, Dinarischen Gebirgen sowie im nördlichen Tief- und Hügelland gibt es noch letzte Überreste der einstigen Paradieswälder. Hier wachsen noch Riesenbäume, es herrscht Zwielicht und der Artenreichtum ist gewaltig.
01 Bayern: Urwald mit Biergartenanschluss
Deutschland größte Waldwildnis entwickelt sich gerade im Nationalpark Bayerischer Wald. Stürme und Borkenkäfer beschleunigen den Umbau des Wirtschaftswaldes in einen „Urwald von morgen“. Alte Urwaldreste finden sich in den Waldgebieten Mittelsteighütte, Höllbachgspreng und Rachelseewand. Der Weg zum Urwaldgebiet Höllbachgespreng ist teilweise recht steil und rutschig. Am leichtesten erreichbar ist der Urwald über die Mittelsteighütte: Er liegt gleich neben der Ortschaft Zwieslerwaldhaus – und einem Biergarten.
Infos: im Nationalparkzentrum Bayerischer Wald
Koordinaten
(Zwieslerwaldhaus, Weg Mittelsteighütte): 49.053874, 13.145437
02 Rügen: Urwaldinsel Vilm
Die kleine Insel im Rügischen Bodden beherbergt einen der wildesten Wälder Deutschlands: In dem uralten Wald aus Buchen, Eichen und Ulmen wurde seit 1538 kein Baum mehr gefällt. Die Maler der Romantik liebten das Eiland ebenso wie die DDR-Staatsregierung, die hier ein Ferienheim betrieben hat – die heute als Naturschutzakademie fungiert. Die Insel ist Teil des Biosphärenreservats Südost-Rügen und kann (nur) im Rahmen einer geführten Exkursion auf einem drei Kilometer langen Rundweg besucht werden.
Infos: Biosphärenreservats Südost-Rügen bzw. über das Buchungsbüro Vilm-Exkursion
Koordinaten:
54.193434, 13.314987
03 Niederösterreich: Wildes Kamptal
Die Nordzipfel Österreich heißt Waldviertel. Dort dominieren Fichtenforste. Im wild-romantischen mittleren Kamptal haben jedoch alte Buchen- und Eichennaturwälder überlebt. Es gibt sogar kleine Urwaldreste. Unterhalb der Ruine Schauenstein führt der Wanderweg führt durch den wildesten Teil des einsamen Tales. Kürzlich wurden aber Pläne für den Abriss eines alten Kraftwerkes bei Rosenburg und dessen Neubau bekannt …
Infos: www.bergfex.at (Stichwort „Schauenstein“)
Koordinaten
(Wegscheid, Parkplatz): 48. 364655, 15.291193
04 Oberösterreich: Nationalpark Kalkalpen
Eigentlich sollten im Reichraminger Hintergebirge heute Kanonen per Beschuss wilder Wälder getestet werden und eine Staukette Strom liefern. Doch statt dessen wurde 1997 der Nationalpark Kalkalpen eröffnet. Seither kehrt die Waldwildnis zurück: Die Österreichischen Bundesforste haben die Bewirtschaftung auf zwei Drittel der Fläche eingestellt. Der Anblick der abgestorbenen Fichtenforste ist gruselig. Borkenkäfer beschleunigen die Umwandlung der Nadelforste in Naturwälder. Der Park ist als für das UNESCO-Weltnaturerbe-Programm zum Schutz der europäischen Buchenwälder nominiert. Immerhin lebt hier die mit 524 Jahren älteste Buche der Alpen. Ein Highlight ist die Wanderung durch alten Bergwald auf die Feichtau-Alm unter dem Hohen Nock.
Infos: www.kalkalpen.at
Koordinaten
(Parkplatz Bodinggraben): 47. 481628, 14.230583
05 Schwyz: Fichtenurwald Bödmeren
Der größte Fichtenurwald der Alpen versteckt sich hoch über dem dramatischen Muotatal: Etwa 150 Hektar des „Bödmerenwaldes“ bestehen aus einem unberührten Fichten-Bergwald. Forstwirtschaft war hier wegen der Steil- und Abgelegenheit mühsam. Ein Glück für den Urwald. Der ist einer Ansammlung kerzenartiger Uraltfichten, die üppig mit Flechten behangen sind. Fichtenwälder sind uns zwar bestens bekannt, der Bödmeren-Wald ist dennoch anders: Die fremdartigen Gestalten der Baumveteranen, das Totholz sowie die vielen Flechten- und Pilze zeigen, dass dieser Wald aus einer anderen Zeit stammt.
Infos: www.boedmeren.ch, www.wanderland.ch
Koordinaten
(Parkplatz Eigeliswald): 46.979493, 8.823763
06 Kroatien: Dundo-Eichenwald auf Rab
Ein besonderer Waldschatz verbirgt sich auf Halbinsel Kalifront im Süden der meist kahlen Insel Rab in Kroatien. Der „Dundo-Wald“ ist einer der letzten immergrünen Steineichen-Wälder im Mittelmeerraum. Im Gegensatz zum sonnenverbrannten Rest der Badeinsel wähnt man sich im Dundo-Wald im Dschungel. Sogar ein Bach plätschert im Tal. Es riecht wie im Regenwald: nach Moos, Moder und feuchter Erde. Solche Wälder waren vor langer Zeit im Mittelmeerraum weit verbreitet. Ein markierter Wanderweg führt durch das „botanische Reservat“ hinunter zur buchtenreichen Felsküste.
Infos: www.faszination-rab.de, www.best-of-rab.com
Koordinaten
(Straße im oberen Bereich des Reservats; : 44. 462792, 14.430261
07 Südpolen: Wilder Wald am Hexenberg
Die Urwälder am Babia Gora-Berg in Südpolen wären um ein Haar ausgerechnet von der hiesigen Akademie der Wissenschaften ausgelöscht worden: Kurz bevor das Gebiet zum Naturreservat wurde (1934), wollten einige Akademie-Mitglieder noch schnell Geld machen und begannen den Wald zu roden. Der Wirt einer Berghütte bemerkte den Frevel und alarmierte (zu Fuß) den angesehen Professor Wladyslaw Szafer. Der stoppte den üblen Plan in letzter Minute. Heute werden 625 Hektar Fichten-Tannen-Buchen-Urwald im Nationalpark geschützt. Es gibt eine Reihe von Wanderwegen. Die besten Blicke in die Wildnis erhascht man von den Höhenwegen östlich (blau) und westlich (gelb) der Berghütte Schronisko PTTK.
Infos: www.bgpn.pl
Koordinaten
(Berghütte Schronisko PTTK Markowe Szczawiny): 49.351639, 19.305871
08 Montenegro: Campen im Biogradska Gora-Urwald
Im Herzen des Biogradska Gora Nationalparks im Norden Montenegros gedeiht ein 1.600 Hektar großer Urwald – einer der schönsten Europas. Das Tal rund um den idyllischen See Biogradsko Jezero wurde 1878 dem Fürst Nikola vermacht und steht seitdem unter Schutz (übrigens nur 14 Jahre nach dem ersten Naturreservat der Welt im US-amerikanischen Yosemite Nationalpark). Hier gedeihen 2.000 verschiedene Pflanzenarten. Die Bäume erreichen ein Alter von 500 Jahren und eine Höhe von 45 Metern. Am (einfachen) Campingplatz kann man zwischen moosigen Urwaldbäumen zelten.
Infos: www.nparkovi.me
Koordinaten
(Parkplatz beim Biogradsko See): 42.900521, 19.595640
09 Thüringen: Wunderbarer Hainich
Ein Teil des größten Laubwaldgebietes in Deutschland soll wieder zum Urwald heranreifen: Der seit dem 19. Jahrhundert plenterartig bewirtschaftete Hainich-Wald in Thüringen wurde zu NS- und DDR-Zeiten als Militär-Übungsplatz genutzt, die Forstwirtschaft ruhte weitgehend. Heute durchziehen etliche Wanderwege statt Panzerspuren den Buchenwald, die Einblicke in dessen „Urwaldwerdung“ geben. Ein Baumkronenpfad ermöglicht eine einmalige Panoramasicht auf das Meer aus Bäumen.
Infos: www.nationalpark-hainich.de
Koordinaten
(Nationalparkzentrum Forsthaus Thiemsburg): 51.045484, 10.305357
10 Rumänien: Retezat-Gebirge
Die Wildnis in Rumäniens ältestem Nationalpark ist zwar mit Wegen erschlossen, es gibt aber keine bewirtschafteten Berghütten. Bei längeren Touren ist also Zelten angesagt. Von der Cabana Gura Zlata (Wandererheim im Haupttal an der Straße) führt ein Weg am strengen Reservat Gemenele entlang durch wilden Urwald zum Bergsee Zănoaga. Auch die Wanderung vom Parkplatz Poiana Pelegii im hinteren Retezat-Tal durch wilden Fichtenurwald zum Bergsee Bucura hinterlässt bleibende Eindrücke. Wer Glück hat, sieht Bären (oder zumindest deren Tatzenabdrücke). Die Urwälder Rumäniens schwinden aber rasant dahin …
Infos: www.retezat.ro, www.rumaenien-info.at, Tourenbeschreibungen u.a. auf www.summitpost.org (eng.),
Koordinaten
(Startpunkt Wanderweg bei Cabana Gura Zlata): 45.232660, 22.461439 oder 45.340133, 22.893925 (Rettungshütte beim Parkplatz Poiana Pelegii)
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