Die Zukunft liegt in der Stadt

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(c) TEDx

Beim TEDx ViennaSalon CITYx gab es gestern Ideen zum Weiterdenken, Verbreiten und Umsetzen.

Gestern Abend ging es im MAK very inspiring zu. Denn TEDx lud zur Veranstaltung mit dem etwas sperrigen Titel TEDx ViennaSalon CityX. Es ging um Stadt und das en vogue Thema lockt das urbanismusinteressierte und -erprobte junge Wiener Publikum. Ob Urbanize Festival, Soho in Ottakring, Smart City, FutureLab… wo es um frische Konzepte für die Entwicklung städtischer Räume geht, da gelingt es scheinbar mühelos einen Saal zu füllen. So auch gestern. Wobei „mühelos“ hier absolut falsch wäre. Die zirka 60 Freiwilligen, die regelmäßig die Wiener Ausgaben des weltweiten Talk-Formats TED auf die Bühne stellen, haben sich offensichtlich alle Mühe gegeben ein Programm auf hohem Niveau zusammenzustellen und das Ganze durch bestes Catering, interessante Aussteller, prall gefüllte Goodie Bags und gemütlichen Ausklang inklusive Silent Disco abzurunden. Das hat sich gelohnt.

Ideas worth spreading

Das ist das weltweit erfolgreiche Motto von TED. Ambitionierte Menschen stellen auf einer Bühne in kurzen Impuls-Vorträgen ihre Ideen vor, um Menschen zu inspirieren. Weshalb das so gut funktioniert? Erstens sind die Veranstaltungen von TED und auch von TEDx (das sind lokal und eigenständig organisierte Ableger von TED in Städten rund um den Globus) verdammt gut kuratiert, und zweitens stellt TEDx seinen Vortragenden einen eigens engagierten Coach zur Seite. So entstehen Abende, an denen man mühelos ein Dutzend Vorträge auf wechselndem englischen Sprachniveau hintereinander verfolgen kann, ohne gelangweilt zu sein, nervös auf dem Holzstuhl umherzurutschen oder gar einzuschlafen.

Neun Ideen zur Stadt

Die Schwerpunktausgabe von TEDx zur Stadtentwicklung wollte Ideen zur Stadt eine Bühne bieten und hat dafür neun Gäste geladen, die vor Ideen nur so sprudelten. Es waren deshalb natürlich viel mehr als neun Ideen zur Stadt.

Den Anfang machte Mahir Yavuz, Designer aus Istanbul, der seinen Lebensmittelpunkt nach New York City verlagert hat und an der Uni für Kunst und Design in Linz zu Datenvisualisierung forscht. Er gehört zu den Menschen, die ein Stück Zukunft auf die Leinwand werfen können. Er hat riesige digitale Datenmengen analysiert und visualisiert. Dabei kommen gleichermaßen spektakuläre wie informative, visuelle Stadtpläne heraus. Big Data ermöglicht es modernen Kartographen wie Mahir Yavuz, beispielsweise die Taxifahrten, die im Laufe eines Tages in Wien stattfinden, visuell darzustellen. So entstehen ganz eigene Abbildungen des Wiener Verkehrsnetzes, die in Form bewegter Bilder den Ablauf eines Tages aus Verkehrsperspektive zeigen. Wow. Yavuz belässt es allerdings nicht bei diesem „Handwerk“, sondern verbindet seine Arbeit mit drängenden Fragestellungen an die Smart Cities der Zukunft. Warum sollen Cities smart sein? Wer definiert, was smart ist? Für wen sollen sie smart sein, und smarter als was überhaupt?

Politisch ging es weiter mit den Ideen der Stadtforscherin Sabine Knierbein von der TU Wien. Sie forderte die Anwesenden dazu auf, sich ihren liebsten Ort in der Stadt mit geschlossenen Augen vorzustellen und schilderte anschließend, was öffentlichen Raum zwischen Krise, Innovation und Utopie ausmachen sollte. Plätze in den krisengebeutelten Ländern Welt machten deutlich, wie wichtig es für die Stadtplanung sei, den öffentlichen Raum als den Raum zu betrachten, auf den es ankommt, wenn Gesellschaften zueinanderfinden um Krisen zu trotzen. Am Ende stand die erneute Aufforderung, sich den Lieblingsort vorzustellen, verbunden mit der Frage, ob er noch der gleiche sei.

Gemeinsam die Vielfalt nutzen

Weiter im Programm: Eugene Quinn, Ire, Brite, Wiener, selbsternannter Rebellious Optimist. Er remixt die Stadt (Wien) aus der Perspektive eines Zugezogenen. Konkret: er organisiert geführte und ironische Spaziergänge zu den hässlichen Orten Wiens, veranstaltet Social Dinners, bei denen Menschen aus aller Welt im Wiener Kaffeehaus ins Gespräch kommen, lässt als DJ Migranten und Alteingesessene zur Musik ihrer Heimaten tanzen, und und und… Seine Message: eine offene Stadtpolitik muss Spaß machen.

Andreas Förster stellte sein Projekt FragNebenan vor. Eine Social Web Lösung zur Unterstützung lokaler, nachbarschaftlicher Communities. Herr Finnland präsentierte seine narrative Variante des (Neu)Entdeckens städtischen Raums, und dann gab es eine Pause mit bester kulinarischer Versorgung durch die Gaumenfreundinnen und Rita bringt’s.

Nach der Pause stellte der Anglo-Schweizer Adrian Atkinson die philosophische Frage danach, wohin unsere urbane Zivilisation steuert und spannte dabei den Bogen von den alten Ägyptern bis zur Entsorgung des eigenen Smartphones als Beitrag zur Rettung der Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft. Dabei flog tatsächlich ein Smartphone durch den Raum.

Urbanism als Politk

Die aus London eingeflogene Lucy Bullivant knüpfte nicht weniger pragmatisch an und stellte Beispiele konkreter Stadtplanung vor, die zum Errichten visionärer Städte beitragen. Die Professorin, Kuratorin, Autorin, Kritikerin – im Umfeld von TEDx gewöhnt man sich schnell an multiple Berufsbezeichnungen – bot einiges an Expertise. Das liegt nahe, schließlich hat sich mit urbanista.org eines der größeren Plattformen für Austausch unter Urbanisten gegründet.

Hands-On Mentalität versprühte der Beitrag der Niederländerin Mirjam de Klepper – einigen Wienerinnen und Wienern bekannt als Person hinter Vienna Shares und Vienna Skill Smiths. Ihr Thema Social Resilience konnte sie mit ihren ganz eigenen Lösungen verknüpfen. Der Grundgedanke dabei: Zusammen erreicht man mehr. Sharing Economy at its best. Ihr nächstes Projekt in Wien: „Étiquette. Mode mit Geschichte.“ Dabei will sie junge Wienerinnen und Wiener mit den von ihr süffisant beschriebenen, und angeblich Wien-typischen grantigen alten Damen zusammenbringen. Das Ziel: Austausch von Vintage Mode über Generationsgrenzen hinweg.

Zum Abschluss durfte der – nach seiner eigenen Vermutung – älteste Redner auf die Bühne: Eric Corijn, Kulturphilosoph und Soziologe von der Freien Universität Brüssel. Es oblag ihm, Ideen zu präsentieren, wie Städte zu nicht weniger beitragen könnten, als der Rettung der Welt. Die These: Das Zeitalter der Identität stiftenden Nationalstaaten gehört abgelöst durch ein Zeitalter, in dem Identitäten kombinierende Großstädte zu politischen Global Players werden.

 

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Das Team von TEDx Vienna (c) TEDx

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