If I had a Hammer
Kein Borger sei und auch kein Verleiher nicht! Der Schweizer Verein Pumpipumpe hält es nicht mit Shakespeare und gibt der Sharing Economy zumindest teilweise ihr analoges Gesicht zurück.
Die durchschnittliche Wohnung des Städters mit viel Umweltbewusstsein und weniger Geld verfügt weder über eine voll ausgestattete Werkstatt noch über einen Hobbykeller mit diversen Sportgeräten.
Eine Bohrmaschine braucht jedoch fast jeder vielleicht ein, zwei Mal im Jahr, Feldstecher, Säge oder Schlauchboot wahrscheinlich eher seltener. Kaufen kann nicht nur für radikale Konsumkritiker hier aus mehreren Gründen oft nicht die beste Lösung sein. Auch nicht tauschen, sondern teilen!
Das Teilen ist nicht nur praktisch, sondern hat etwas Tugendhaftes. Es existieren Onlineplattformen und eigene Leih- und Verleihstellen, auf denen fast alles geteilt wird, was man kaufen könnte. Doch wozu in die Ferne schweifen?
(K)leben und Teilen
Das Berner METEOR Collectif aus vier Gestalterinnen und Gestaltern hat Ende 2012 den Verein Pumpipumpe gegründet. Seine Mitarbeiter arbeiten ausnahmslos ehrenamtlich im Namen des Konsumverzichts. Produktdesignerin und Mitgründerin Lisa Ochsenbein erklärt im Gespräch mit Biorama, warum es das Projekt gibt und welche Veränderungen bevorstehen: “Wir wollen, dass sich die Leute durch unser Projekt dessen bewusst werden, dass man ganz einfach nicht so viel konsumieren muss.”
Durch auf dem Briefkasten angebrachte Piktogramm-Sticker, die man bisher einzeln online auswählen und gegen Versandgebühr bestellen konnte, sollen Nachbarn darüber informiert werden, welche Produkte man bereit ist, zu verleihen. Die Pickerl werden auf licht- und wetterbeständigem Papier gedruckt und können rückstandslos wieder entfernt werden.
Anonyme Nachbarschaftshilfe
Ab 5. Mai wird es im Rahmen eines großen Relaunchs des Projekts auch eine Onlinekarte geben, die Auskunft gibt, wo die Sticker erhältlich sind, aber vor allem auch zeigen soll, wo man sich in der Umgebung was ausborgen kann. Verleihfreudige Nutzer können hierzu über eine Onlinemaske mit ihrer Adresse, aber ansonsten anonymisiert eingeben, welche Sticker sie auf dem Postkasten aufgeklebt haben. Es wird also wesentlich einfacher, schnell und in einem größeren Radius herauszufinden, welche Objekte man sich in seiner Nachbarschaft ausleihen kann.
Gleichzeitig wird nach zwei Jahren, in denen sich das Projekt über Spenden finanziert hat, ein Unkostenbeitrag für die Sticker eingeführt werden. Außerdem werden statt der einzelnen Piktogramme nur mehr ganze Stickerbögen angeboten. Lisa Ochsenbein erklärt: “Die Finanzierung über Spenden hat sich als nicht langfristig möglich herausgestellt. Wir wollen unabhängig bleiben und der Druck, die Versandarbeit durch die Sozialfirma Trinamo, die schwer Vermittelbare Arbeitslose beschäftigt, und der Versand selbst können nur durch einen Unkostenbeitrag von fünf Euro sichergestellt werden.”
Collaborate Consumption offline
Bisher sind die Pickerl in Österreich ausschließlich auf Bestellung gegen Versandkosten oder Samstags von 10–15 Uhr im Wiener Showroom for Fashion Y5 von Cloed Priscilla Baumgartner erhältlich. Derzeit gibt es dort noch Restbestände, die Cloed nach wie vor verschenkt.
Denn die Wienerin mit Schweizer Wurzeln steht mit Leidenschaft hinter dem Konzept ihrer Landsleute: “Ich will die Sharing-Economy vorantreiben und das Konzept der Pumpipumpe gefällt mir. Ich stelle mir gern eine Art Grätzlmovement vor, in dem man manches von dem, was man besitzt, auch teilt. Früher hat diese Funktion die Großfamilie erfüllt, nun klafft hier vor allem im urbanen Raum eine Lücke. Außerdem schaut es einfach schön auf meinem Postkasten aus.”
“Sich und den Freund verliert das Darlehn oft, und Borgen stumpft der Wirtschaft Spitze ab”
Nicht jeder ist hierzulande Feuer und Flamme für das Her- und das Ausborgen. Cloed gesteht uns: “Bei mir hat trotz der Pickerl auf meinem Briefkasten noch niemand angeläutet und gefragt, ob er sich etwas ausborgen kann”.
Auf die Frage, ob das an Unwissen über die Bedeutung der aufgeklebten Pickerl liegt, antwortet Cloed: “Die Bewegung ist noch nicht flächendeckend genug bekannt, um gut zu funktionieren. Die Pickerl haben zwar viele Fans, aber die Anlaufschwierigkeiten in der Annahme des Angebots sind noch nicht überwunden.
Konkret gehts im Endeffekt darum, mutig bei der Nachbarin klingeln zu gehn. Diese Scheu wird hoffentlich mithilfe der freundlichen Pickerl gemildert. Ich setze grosse Hoffnungen in die neue Map.”
Auf der Suche nach Pickerlverkäufern
Zu den Stickern gibt es auch aufklebbare Kurzerklärungen der Pumpipumpen-Idee. Die ab kommender Woche über pumpipumpe.ch erhältlichen neuen Stickerbögen werden diese Erklärungen nun auch auf Englisch enthalten und bei größeren Abnahmemengen soll es laut dem Schweizer Gründerteam möglich sein, auch andere Sprachen anzufordern.
Auf den Online-Relaunch wird im Laufe der kommenden sechs Monate auch die Umsetzung eines neuen Konzepts der Zusammenarbeit mit Vertriebspartnern im Ausland folgen, erklärt Lisa Ochsenbein. Es soll also künftig mehr Stellen geben, an denen die Aufkleber offline auch in Österreich bezogen werden können.
INFO:
Cloed Priscilla Baumgartner betreibt nicht nur “die Homebase des Wiener Upcycling-Modebrands MILCH.tm.”, das Y5 – am Yppenplatz 5 – , Infos unter https://y5vienna.wordpress.com, sondern auch eine wandernde Kleidertauschbörse. Termine und wechselnde Standorte hierzu unter www.topswap.at.
Ähnlich zu www.Pumpipumpe.ch gibt es ein seit Jänner dieses Jahre https://fragnebenan.com. Der Wiener Verein, der demnächst zum Unternehmen werden soll, präsentiert sich mehr als Plattform zum Austausch gegen die großstädtische Anonymität, es werden aber auch diverse Gefallen erbeten und wie bei Pumpipumpe Diverses geteilt, getauscht, verschenkt.