Jahreszeiten-Küche im Roh-Format
Für Michaela Russmann ist Rohkost mehr Genuss als Verzicht. Für ihr neues Kochbuch hat sie Rezepte für jede Saison komponiert und in der jeweiligen Jahreszeit abgelichtet.
»Wenig vegan, wenig roh und generell wenig Gemüse«, beschreibt Michaela Russmann die klassische österreichische Küche, obwohl ihr die Rohkost-Pionierin auch »nette Gemüsegerichte« wie den Altwiener Suppentopf zugesteht – ohne Rindfleisch und mit etwas Gemüsigem statt den Nudeln, versteht sich. In ihrer Bio-Werkstatt in der Wiener Innenstadt bringt die 35-Jährige täglich veganes Mittagessen mit biologischen Zutaten aus dem angeschlossenen Bioladen auf den Tisch. Privat ernährt sich die studierte Soziologin seit zehn Jahren vegan und das zu 80 Prozent mit Rohkost. Das Thema liegt bei ihr in der Familie – ihr Vater, ein Leistungssportler, hat bereits vor 19 Jahren damit begonnen. Neben dem Bioladen und veganen Bistro vermittelt Michaela den Rohgenuss auch in Workshops, Seminaren und Coachings. »Ich hab so viele Rezepte in meinem Kopf, es wurlt richtig«, schmunzelt sie, »deshalb gibt es auch jedes Jahr ein neues Kochbuch.« Mit Jahresanfang ist jetzt Kochbuch Nummer neun »Rohgenuss – Die vier Jahreszeiten« erschienen, in dem sie über 100 Rezepte mit wenigen und überwiegend heimischen Zutaten vorstellt. Auf 165 Seiten wird saisonale roh-vegane Küche frisch, unkompliziert und vollkommen undogmatisch präsentiert.
»Mir ist wichtig, dass man ganz entspannt an das Thema rangeht und den Rohkostanteil, der nun einmal gesund ist, in der eigenen Ernährung erhöht – ob auf 40, 60 oder 80 Prozent, eben so, wie es einem guttut«, betont die Autorin und schlägt vor, das »Pseudoschüsselchen Salat zum Schnitzel« etwa durch rohen Spinat zu heißen Kartoffeln zu ersetzen. Während einen in den Kapiteln Frühling und Sommer farbenfrohe Rezepte mit Saisonlieblingen wie Zucchini (Zucchini-Lasagne mit Minz-Béchamel) und Erdbeeren (Erdbeer-Stracciatellacreme) erwarten, zeigen die Herbst- und Winter-Kreationen, dass es sich auch in der kalten Jahreszeit genussvoll roh speisen lässt.
Rohkost in Reykjavik
Inspirieren lassen hat sich Michaela unter anderem von ihren Reisen im skandinavischen Raum, wo die Rohkostküche trotz eher niedriger Temperaturen besonders stark ausgeprägt ist. Dieses Jahr geht es für sie aber nach Reykjavik, wo die ausgezeichnete Rohkostköchin Solla Eiriks ihr Restaurant Glo hat.
Von Rezepttiteln wie »Orientalischer Gemüsereis mit Mandeln« oder »Bandnudeln an würziger Oliven-Tomatensauce« darf man sich nicht täuschen lassen, denn Reis, Pasta oder Kartoffeln sucht man in einem Rohkost-Kochbuch freilich vergebens. Als Grundlage dienen stattdessen Nüsse und Trockenfrüchte oder Gemüsenudeln per Sparschäler, die mit Kräutern und Gewürzen, guten Ölen und Essigen verfeinert werden. Zu den Rezepten gibt’s praktische Tipps und Rohgenusskunde über Nährstoffe, Ursprung und Anbau der Zutaten. Für Eltern von Grünzeugskeptikern sind erprobte Gerichte mit einem »garantiert kindertauglich«-Stempel gekennzeichnet. Dazwischen darf der Leser einen Blick hinter die Kulissen werfen. Während bei vielen Lebensmittelfotos mit Farbe und Plastilin getrickst würde und das Endresultat gar nicht mehr essbar sei, haben Michaela und ihr Mann Jochen, der für das Buch hinter der Kamera stand, alles aufgegessen.
»Das Essen wegzuwerfen wäre verschwenderisch gewesen, außerdem möchte ich den Lesern auf den Bildern zeigen, wie das fertige Gericht wirklich aussehen wird«, erklärt die selbstgelernte Foodstylistin. Auch die Kulisse – ein alter Bauernhof – wurde von den beiden selbst umgebaut. »Wir haben die Nachhaltigkeit von A bis Z durchgezogen, weil’s cool ist!«.
Was heißt Rohkosternährung?
- <42°C: die Temperaturgrenze bei roher Verarbeitung. Darüber setzen Vorgänge ein, die ein Lebensmittel verändern, wesentliche Inhaltsstoffe gehen verloren. Darunter bleiben natürliche Bestandteile und insbesondere Vitamine erhalten.
- Leichte Kost: Rohkost belastet den Organismus weniger, Völlegefühl oder Müdigkeit nach dem Essen bleiben aus. Häufig werden ballaststoffreiche rohe und vegane Ernährung kombiniert.
- Umweltfreundlich: wenig benötigte Energie, geringer Abfall und die Bevorzugung lokaler und biologischer Lebensmittel machen Rohkost zu einer umweltfreundlichen Alternative.