Alpine Crossing – Tag 4, Triglav Nationalpark: Sanfte Pioniere mit Realitätsbezug
Grauer Anzug, die obersten Knöpfe des hellrosa Hemds aufgeknöpft, keine Krawatte – so steht er da, Anže Čokl, Juniorchef des ersten und einzigen Eco-Hotels Sloweniens, Eko Parkhotel Bohinj. „Normalerweise kleide ich mich legerer“, der erste Satz des 27jährigen ist eine Entschuldigung, „aber wir haben gerade eine Geschäftsgruppe hier.“ Das ist auch der Grund, warum der Green-Globe zertifizierte Vorzeigebetrieb im Bereich Energieeffizienz diese Tage ausgebucht ist, und wir – leider – nur eine verkürzte Führung durchs Haus, das 2009 nach einem Rekordbau von knapp zwei Jahren eröffnet worden ist, bekommen.
„Alles beginnt mit den Prinzipien und Werten, die dir deine Eltern mitgeben“, erklärt der Hoteldirektor, „das ist die Basis von allem“. Für ihn selbst gilt das in jedem Fall, hat ihm doch sein Vater – Besitzer des Hotels – schon seit der Kindheit in Ljubljana einen nachhaltigen Lebensstil und wohl auch eine Portion Idealismus „eingeimpft“. Letzteres ist auch notwendig, wenn man wie die beiden Männer – ohne (finanzielle) Unterstützung durch die Regierung – 16 Mio. Euro an eigenem Kapital in einen Traum investiert. Das ist übrigens viermal so viel, wie die Bauförderung der EU, die ebenfalls ins Hotel geflossen sind.
Gebaut aus hauptsächlich natürlichen Materialien wie Holz, Stein oder Glas wird das 250 Betten-Hotel vor allem mit Wasser und 100% erneuerbarer Energie betrieben. Maßnahmen wie der 90%ige Einsatz von LED Lampen für die Beleuchtung oder die Verwendung von Produkten mit einem Transportweg von maximal 100 km sind weitere Faktoren, warum die Co2-Emissionswerte mit rund 10kg pro Nacht und Gast im Eko Parkhotel um 1/10 geringer sind als in vergleichbaren Hotels der Region. Doch dem ausgebildeten Ingenieur geht es nicht nur um die nachhaltige Schonung der Umwelt, sondern auch um seine MitarbeiterInnen: Da putzt er schon einmal einen Tag lang die 102 Zimmer seines Hotels – eine Aktion, die ihm den Respekt der zu 82% einheimischen MitarbeiterInnen bringt.
„Wir müssen realistisch bleiben“, nimmt Čokl die Einwürfe der Kritiker vorweg, die ihm zum Beispiel vorwerfen, einen großen Aquapark zu betreiben oder Aircondition einzusetzen, „Es geht darum, wirtschaftlich erfolgreich zu sein und dabei die Umwelt so wenig wie möglich zu belasten.“ Die Schere zwischen den Standards eines 5-Sterne Hotels, die sein Klientel – hauptsächlich Business Kunden und Unternehmen – einfordert, den lokalen Möglichkeiten und der Nachhaltigkeit ist groß. „Wir versuchen unser Bestes und wissen gleichzeitig, dass es noch besser werden muss“, meint er, „viele sehen aber auch nur, was vor ihren Augen ist und nicht die zahlreichen kleinen Maßnahmen.“
Grund, im Eko Parkhotel zu übernachten, ist dessen Energieeffizienz und Engagement für die Nachhaltigkeit jedenfalls nicht: Gäste kommen, weil das Hotel kinderfreundlich ist, mit dem Aquapark jede Menge Spaß garantiert, wegen der Umgebung des Nationalparks Triglav – und nicht zuletzt wegen der moderaten Preise (160 Euro kostet ein Zimmer für zwei Personen). Außerdem werden einige der Öko-Angebote gar nicht genutzt, wie zum Beispiel die E-Tankstelle im Keller des Hotels: Fünf Autos wurden in den letzten drei Jahren damit gefüllt. Eine ernüchternde Bilanz für all den Einsatz, aber Čokl bleibt optimistisch: „Eine Idee braucht Vorreiter, die sich etwas trauen – und dann folgen die Massen.“
Daran glauben auch Tourismuschef Klemen Langus und Martin Solar, Direktor des Triglav Nationalparks: Öffentliche Busse vom Bahnhof, die in der Hauptsaison zwischen Juni und September nicht nur zum Eingang des Parks, sondern ins Talinnere bis zum berühmten Savica Wasserfall führen, sollen die Gäste davon überzeugen, das Auto am besten gleich ganz zu Hause zu lassen. Eine neue Fahrradroute, die sich zu ca. 98% bereits bestehender alter Wege bedient, und die beiden Elektro-Boote sollen ebenso die sanfte Mobilität fördern. Ginge es nach ihnen, wäre der einzige slowenische Nationalpark völlig Autofrei und eine Seilbahn würde – als öffentliches Verkehrsmittel – über den Triglav See zum Vogel, dem höchsten Berg der Region, und dessen sagenhaften Ausblick über den Park bringen. Ein Projekt, das wohl erst in 10 Jahren umgesetzt werden kann. In der Zwischenzeit müssen die Einheimischen von der Sinnhaftigkeit und vor allem dem wirtschaftlichen Wert der sanften Mobilität überzeugt werden. „Noch haben sie Angst, dass zu wenige Touristen kommen“, schildert Klemen Langus das Problem, „und dass die Straßensperren ihren Alltag komplizierter machen.“ Die Bevölkerung an Board zu holen ist aber essentiell – schließlich sind sie diejenigen, auf die die Touristen hören, wenn es heißt: Auto oder öffentliche Verkehrsmittel?!
„Hinterlasse nichts außer Fußabdrücke, nimm nichts mit außer Erinnerungen“ – den Slogan des erst vor zwei Wochen produzierten, sehr pathetischen Imagefilms des Eko Parkhotels kann man wohl nicht nur als dessen Philosophie sehen, er scheint vielmehr für den gesamten Triglav Nationalpark zu gelten. Und auch der Vergleich mit den Erstbesteigern des Mount Triglav von 1778 ist zwar ambitioniert, aber gar nicht so weit hergeholt: Es sind Pioniere, die wissen, dass hohe Ziele nur Schritt für Schritt erreicht werden.
Allen, die sich übrigens wundern, heute doch von mir zu lesen, sei verraten: In dem 1.400 m hoch gelegenen Teil des friaulischen Sauris, in der 2006 die Geburtsstunde für Alpine Pearls geschlagen hat, ist Internet ein Luxus. Tragbare Modems funktionieren – wenn überhaupt – nur zufällig, und Wifi gibt es nur in der Rezeption unserer Herberge, der Albergo Diffuso – allerdings nur zu den Öffnungszeiten zwischen 9.00 und 19.00 Uhr. Dass ich heute zu mitternächtlicher Stunde online bin, verdanke ich dem Einsatz des Alpine-Crossing-Teams und des Tourismusverbands von Sauris.
Ob eine solche Ausnahmeregelung auch morgen in Forni di Sopra, der nächstgelegenen Perle in der Region, klappt?! Wenn nicht, muss ich mir wohl eine Zwangspause vom Bloggen verordnen und dieses „Eldorado für Feinschmecker im Herzen der Friulanischen Dolomiten“, wie es im Programm unserer Alpine Crossing so vielversprechend genannt wird, für die nächsten beiden Tage einfach nur genießen. Ihr werdet es erfahren… spätestens am Sonntag!