H2PrO: Elektrisierendes Wasser
Nicht jeder auf der Welt hat freien Zugang zu sauberem Trinkwasser und Elektrizität. Eine 17-jährige Erfinderin aus Kanada hat sich aufgemacht, beide Probleme auf einen Schlag zu lösen. Sie hat ein Gerät namens H2PrO erfunden.
Wasser verspricht für das 21. Jahrhundert das zu werden, was Erdöl für das 20. Jahrhundert war: das kostbare Gut, welches den Reichtum einer Nation bestimmt. 85 Prozent der Weltbevölkerung lebt in den trockensten Regionen der Erde, unter denen sich gleichzeitig einige der ärmsten Länder befinden. Aufgrund dieser ungleichen Voraussetzungen und aus Angst vor daraus resultierenden Konflikten sehen Regierungen und multinationale Energiekonzerne Wasser auf globaler Ebene als ein knappes Wirtschaftsgut an, das rationiert werden muss, anstatt als grundlegendes Menschenrecht.
Das führt zu einer paradoxen Situation: Auf der einen Seite Großkonzerne wie Nestlé, die in Schwellenländern wie Brasilien, Pakistan oder Südafrika die sauberen Trinkwasserquellen für ihre Abfüllanlagen anzapfen. Auf der anderen Seite die Bewohner, ohne eigenen Zugang zu frischem Wasser, dafür mit Wasser in Plastikflaschen in den Geschäften, das sie sich nicht leisten können. Ihnen bleibt nur, kilometerweit zu den wenigen verbliebenen öffentlichen Quellen zu wandern oder das mit Chemikalien und Bakterien verschmutzte örtliche Wasser zu trinken. Sechs Mrd. Euro Gewinn macht der Schweizer Konzern jährlich mit seinen weltweit 73 Wassermarken. Die bekannteste heißt »Pure Life« und wird vor allem in Entwicklungsländern verkauft.
Saubere Energie und sauberes Wasser
Motiv genug für die 17-jährige Schülerin Cynthia Lam aus Melbourne, eine universale Lösung anzubieten: Ihre bahnbrechende Erfindung reinigt verschmutztes Abwasser per Fotokatalyse und erzeugt dabei Strom. Der H2PrO ist ein mobiles Gerät zur Wasserreinigung, braucht außer der Sonne keine externe Energiequelle und nutzt die aus dem Wasser gefilterten Schadstoffe zur Stromerzeugung. Damit zählte die Jugendliche verdientermaßen zu den Finalisten der diesjährigen Google Science Fair, ein Wissenschafts- und Technologiewettbewerb, der einmal im Jahr weltweit für Schüler und Schülerinnen zwischen 13 und 18 Jahren ausgeschrieben wird – für Erfindungen, die unsere Welt nachhaltig verbessern sollen.
»Im Prozess der Fotokatalyse wird Wasser nicht nur gereinigt und sterilisiert, durch die Aufspaltung des Wassers wird zusätzlich auch Wasserstoff produziert, der zur Stromerzeugung genutzt werden kann«, erzählt die chemiebegeisterte Schülerin über den Ursprung ihrer Idee. Mit ihrer Forschungsarbeit zur Fotokatalyse begann Lam vor eineinhalb Jahren, nachdem sie für ihr Vorhaben ein Stipendium des Victoria Science Talent Search bekommen hatte. Das verblüffende Resultat war die Entwicklung des tragbaren H2PrO-Wasserreinigers, der lediglich Sonnenlicht und Titan zum Funktionieren braucht. In einem chemischen Vorgang absorbiert Titanoxid die UV-Energie aus dem Sonnenlicht, was zu einer sogenannten Redox-Reaktion führt, die organische Verbindungen oxidieren lässt. In der Paxis läuft das folgendermaßen ab: Auf der einen Seite des Behälters wird verschmutztes Wasser eingefüllt und durch ein von der Sonne aktiviertes Titangewebe geleitet. Das so sterilisierte Wasser nimmt dann seinen weiteren Weg durch einen zweiten Filter und ist am Ende gereinigt und trinkbar.
Bis zu 90 Prozent der im verunreinigten Wasser enthaltenen organischen Substanzen können so innerhalb von zwei Stunden in unschädliches Kohlendioxid sowie Wasser umgewandelt werden. Durch die Aufspaltung von Wasser entsteht zusätzlich Wasserstoff, der sich über eine integrierte Brennstoffzelle zur Energieerzeugung nutzen lässt. »Die Stromerzeugung verläuft noch etwas instabil«, räumt Cynthia Lam ein, »aber ich werde das Gerät solange weiterentwickeln, bis es verlässlich Strom erzeugt.«
Das wirklich Revolutionäre an Cynthia Lams Entwicklung: Neben Titan benötigt der Prozess der Wasserreinigung lediglich Sonnenlicht. Bei vergleichbaren Konzepten war stets eine weitere Energiequelle vonnöten gewesen, wodurch sie in abgeschiedenen oder weniger entwickelten Regionen nicht anwendbar waren. Der H2PrO hat durchaus das Potenzial, die Welt zu verändern – weltweit leben 1,2 Mrd. Menschen ohne Elektrizität und 780 Mio. haben keinen Zugang zu sauberem Wasser.
Von dieser Innovation werden vor allem Menschen in der Dritten Welt profitieren, die so einen Zugang zu Trinkwasser und Strom auf einfache und vor allem autarke, unabhängige Art erhalten. Und Cynthia Lam will sich auch künftig dem Wohl der Menschheit widmen. »Ich möchte gerne Medizin oder Umwelttechnik studieren, weil ich dann in der Lage bin, Menschen in Not zu helfen«, erklärt die sympathische Nachwuchsforscherin ihr Lebensziel.