Doping auf dem Feld
Auf Feldern landet eine Menge Chemie. Viele Landwirte finden Kunstdünger und Pestizide genau so überflüssig wie Doping im Sport. Im Moment streiten Österreichs Landwirte wieder über das alte und doch ständig aktuelle Thema.
In den letzten Wochen trommelt die Landwirtschaftskammer, also die Vertretung der österreichischen Landwirte, für den Einsatz chemischer Pflanzenschutzmittel, Düngemittel, und sonstiger synthetischer Hilfsmittel der industrialisierten Landwirtschaft. Ihr Präsident Hermann Schultes hat das Thema Pflanzenschutz dabei offenbar zur Chefsache gemacht. Im gewohnt alarmierenden Ton von Agrarfunktionären erklärt er: „Wenn Pflanzenschutzeinschränkungen nur in Österreich gelten, wird verstärkt auf importierte Rohstoffe und Lebensmittel zurückgegriffen. Daher verlangen wir zeitgerecht verfügbare Pflanzenschutzmittel zu wettbewerbsfähigen Preisen in ausreichender Vielfalt und Anzahl für alle Kulturen.“
Soll heißen: die österreichische Landwirtschaft verträgt keine Wettbewerbsnachteile durch besondere Auflagen für den Einsatz von Pestiziden. Was die Landwirtschaftskammer verlangt, sind europaweit gültige Zulassungsregeln für Pflanzenschutzmittel. Was auf bayrischen Feldern gespritzt werden darf, soll auch in Österreich gespritzt werden dürfen. Viele österreichische Landwirte empfinden strenge Regeln beim Einsatz chemischer Substanzen und mangelnde Zulassungen für bestimmte Mittel als Schikane. Man denke an die Konkurrenz aus dem Ausland, den Weltmarkt, den Preisdruck und all die externen Bedrohungen für die österreichischen Bäuerinnen und Bauern.
Biolandwirte können nur mit dem Kopf schütteln, wenn sie hören, wie ihre Kollegen aus der konventionellen Landwirtschaft ständig von Wettbewerbsnachteilen reden, und jammern, ohne Kunstdünger würden sie ihrer Lebensgrundlage beraubt. Als ob es nicht auch ohne Chemie ginge, im europäischen Bioland Nummer Eins. Konventionelle Landwirtschaft, das sei wie Red Bull gegen Müdigkeit zu trinken, anstatt gelegentlich zu schlafen, pointierte neulich der Agrarwissenschaftler Franz Fehr von der Wiener BOKU, und der Biolandwirt Alfons Piatti bedient sich einer sportlichen Metapher: „Leistungssport ist per se nichts Schlechtes. Übertriebener Leistungssport allerdings hinterlässt Spuren in Form von frühzeitigen Abnützungserscheinungen und deren Folgen. Das gilt auch für die Landwirtschaft, wenn man diese mit Sport vergleichen will.“ Piatti ist Agrarökonom und betreibt seit 1982 biologischen Landbau im niederösterreichsichen Loosdorf – ohne den Griff zur Chemiekeule.
Alternativen zur Chemiekeule
Zur Ertragssteigerung verdammte Intensivlandwirtschaft verliert nur langsam ihren Ruf der Unverzichtbarkeit. Im Sport würde man vieles, was auf Feldern und in Ställen geschieht, als Doping bezeichnen. In der Landwirtschaft ist das anders. Dann da werden auch Methoden mit chemischen Aufputschmitteln als „konventionell“ bezeichnet. Das ist eigentlich reichlich skurril. Darauf möchte zum Beispiel auch die Seite www.dopinglandwirtschaft.at hinweisen. Einige Bio-Affine haben die reichlich sarkastische Website gelauncht, um auf die Chemie-Mogelei aufmerksam zu machen. Ähnlich wie Alfons Piatti, fordern auch sie einen anderen Weg, als den der Abhängigkeit der Bauern von Chemie-Lieferanten. Dabei setzen sie allerdings eher auf süffisante Provokation, z.B. indem Sie einen Wett-Aufruf für „Wetten dass..?“ starten.
An Alternativen mangelt es keineswegs, erklärt Alfons Piatti, der diese in der Praxis schließlich täglich anwendet. „Aus der Sicht des Biolandbaues ist es wichtig, die intellektuellen Ressourcen des Bauernstandes zu aktivieren und zu fördern und das Thema Pflanzenschutzes nicht ausschließlich der chemischen Industrie zu überlassen. Im Biolandbau gibt es die Probleme von z.B.: Drahtwurm oder Erdraupe genauso wie bei den konventionellen Kollegen. Es gilt, diese Schädlinge kennenzulernen um mit ihnen besser umgehen zu können. Wir wollen sie nicht ausrotten, aber wir wollen mit ihnen leben und das geht auch ohne chemische Keule.“
Was die Politik der Landwirtschaftskammer betrifft, ist sich der Demeter-zertifizierte Bauer unsicher, was eigentlich ihr Ziel ist. „Die Politik der LK ist oft nicht nachvollziehbar, denn auf die Frage, wohin die Reise gehen soll, bekommt man keine befriedigende Antwort.Österreich wird ja wohl nicht mit Niedrigstpreisprodukten aus der Landwirtschaft wie Rindfleisch aus Argentinien, Soja aus Brasilien oder Schweinefleisch aus Holland am Weltmarkt konkurrieren wollen. Daher sollte die Politik die nachhaltige Landwirtschaft – allerdings ernsthaft und in der Tat unterstützen und sich an ihr orientieren.Politische Vorteile aus einem Gegeneinander von Bio und Konventionell ziehen zu wollen kann nicht gelingen.Es gibt nur eine Landwirtschaft und die sollte möglichst nachhaltig sein und da ist Bio einfach näher dran.“