Un-Effektive Mikroorganismen

Effektive Mikroorganismen ohne Esoterik – wir gehen der Sache auf den Grund.

„Du kennst dich doch mit so was aus. Das ist gerade ganz groß Thema und ich will wissen, was da dran ist. Also so ganz befreit von dem esoterischen Zeug rundum“, sprach Kollege Weber. Ein Buch und ein Magazin zum Thema Effektive Mikroorganismen wurden überreicht.

Erst das Buch: Nach 15minütigem Screening ist klar: Wenn man das esoterische Rundherum wegschneidet, bleibt vom Buch nichts übrig. Macht nichts, Auftrag ist es ja, die Idee, den (Zell)Kern der Geschichte zu testen. Also weiter zum Magazin. Der nächste Griff in den Kübel – wenn ich lesen will, wie Publizisten, Historiker und halbverbildete Hausfrauen Unsinniges über Biologie verbreiten, kann ich genau so gut zu einer beliebigen Tageszeitung greifen.

Der Kern

Was soll’s, dann eben mittels Recherche zum Kern. Die Idee an sich ist ja nicht unplausibel: Eine bestimmte Mischung an Mikroorganismen soll diverse Wirkungen haben. Das ist den Mikroorganismen prinzipiell zuzutrauen, die können viel. Eigentlich können sie alles: sämtliche biologischen Reaktionen wurden bereits von Mikroorganismen durchgeführt, die Mehrzeller haben keine neuen Abbau- oder Synthesewege erfunden.

Leben ohne Mikroorganismen ist unmöglich, sie sind nicht nur Bestandteil sämtlicher Stoffkreisläufe, sondern auch im Körper jedes größeren Wesens für dessen Funktionieren mitverantwortlich – auch wenn es Ihnen stinkt, auf Ihre Darmbakterien können Sie nicht verzichten. Also warum sollte eine Mischung an Mikroorganismen nicht effektiv sein?

Komplexität

Aber welche Mischung soll das sein? Und wie hat der japanische Professor Teruo Higa eine Mischung gefunden, die auf allen Böden unter allen Bedingungen allen Pflanzen nützen soll? Das Zusammenwirken von Mikroorganismen ist in jedem lebenden System hoch komplex und die Zahl an möglichen Wechselwirkungen ist kaum bis in jedes Detail zu erforschen. Higa hat sich daher ein System ausgedacht, wie das alles viel einfacher zu durchschauen ist: Er teilt ein in: positive, negative und opportunistische Mikroben. Die meisten seien opportunistisch, machen also das, was die anderen auch machen. Daher lassen sich Systeme ganz einfach manipulieren, mit einer Mischung aus positiven Mikroben werden alle anderen dominiert und schwups, schon ist der Boden hilfreich und gut. Dass bei dieser grob fahrlässigen Einteilung von Kleinstlebewesen mehr Naturglaube, Ideologie und die Hoffnung auf eine schöne Welt durchschimmern als Erkenntnis, könnte man Higa ja verzeihen, vor allem, wenn die Sache funktioniert. Das wiederum lässt sich testen.

Irgendwas, irgendwie, manchmal

Torsten Müller, Agrarwissenschaftler in Stuttgart, hat das beispielsweise gemacht. Seine Bilanz über den Stand der Dinge: „Von einem ‚Wundermittel` wie von den Herstellern und dem Erfinder Higa immer wieder versprochen, kann mit Sicherheit nicht die Rede sein. Auch sind die Wirkungsmechanismen, die von Higa und anderen immer wieder genannt werden, zum Teil nicht mit unserem biologischen Wissen vereinbar. Allerdings scheint es vereinzelt Wirkungen zu geben, die unter bestimmten Bedingungen auftreten. Wir wissen aber noch nicht wann und warum. Das trifft im Übrigen auf viele mikrobielle Präparate zu.“

Viele der Effekte, die in einzelnen Studien nachgewiesen wurden, haben mit den Mikroorganismen nichts zu tun, sondern sind nachweislich auf das Substrat zurückzuführen. Dass es gelegentlich zu unspezifischen Wirkungen durch die Mikroorganismen kommen kann, ist nicht überraschend und würde wohl bei jeder beliebigen Mischung von Mikroorganismen passieren. Es gibt keinen Hinweis darauf, dass gerade die Effektiven Mikroorganismen nur positiv wirken und es gibt jede Menge Hinweise, dass sie in den meisten Fällen gar nicht wirken.

TEXT Jörg Wipplinger

(AD PERSONAM: Mag. Jörg Wipplinger, MA hat Zoologie und Journalismus studiert, schreibt im Hause Monopol für den KURIER und betreibt den Videoblog http://diewahrheit.at)

Studien:

http://orgprints.org/9691/ : Feldversuch über 4 Jahre Peer-reviewed:(2003-2006)

…Observed effects could be related to the effect of the carrier substrate of the EM preparation … Hence ‘Effective Microorganisms’ will not be able to improve yields and soil quality in mid term (3 years) in organic arable farming.

Studie 2009:

http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/jpln.200800021/abstract

However, comparisons with sterilized EM and molasses as the main additive in EM suspension showed that any effect of EM could be explained as a pure substrate effect without the influence of added living organisms.

Journal of Plant Nutrition and Soil Science

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