Du sollst begehren deines nächsten Bio

CC Johanna Stögmüller

Bild: Johanna Stögmüller

Mittlerweile geht es bei Bio ganz klar um Marketing. Das ist gut so. Wir haben uns auf der Biofach, der wichtigsten Bio-Messe umgesehen, wohin sich der Markt bewegt.

Dass die Einstellung so mancher Pioniere – mein Produkt ist gut und spricht für sich selbst – überholt ist, wissen mittlerweile die meisten. Bio darf verführen. Bio muss verführen. Dass man sich hervorzutun hat, wird nirgendwo deutlicher als auf der Biofach: 2.235 Aussteller buhlten mit ihren Produkten heuer auf der Biofach, der Nürnberger Weltleitmesse für Bio-Produkte, um die Aufmerksamkeit der 42.445 Fachbesucher. Im Biomarkt, im Supermarkt oder im Online-Shop und selbst in manchen Hofläden ist es kaum anders. Ohne Marketing geht da gar nichts mehr.

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Was also sind die Trends?

Wenig überraschend: Bei den Produktneuheiten dominierten vegane Produkte. Selbst Altbekanntes – etwa so manche Kaffeeröstung oder Müslimischung – wird plötzlich als vegan und damit frei von tierischen Zutaten ausgewiesen. Marketing also. Sei es aus ideologischen oder aus gesundheitlichen Gründen: Veganismus wird als Bewegung wichtiger. Vor ein paar Jahren wäre es wohl undenkbar gewesen, dass ein Bio-Metzger am Stand von Follow Fish vorbeischaut, weil er sich überlegt, seinen Kunden auch nachhaltig gefangenen Fisch anzubieten … Von diesem Trend profitiert auch ein Getreide, dass – Stichwort Kostproben – in Nürnberg in aller Munde war: Quinoa, bekannt auch als Andenreis, Inkakorn oder Perureis. Quinoa wird wohl künftig noch häufiger auf den Speisekarten von vegetarischen und veganen Kantinen zu finden sein.

Seit ein paar Jahren schon wichtiger wird das sogenannte Convenience-Segment; also Tiefkühlpizza, Dosengulasch, Mikrowellenpopcorn, Snacks und Fertigprodukte, die mit knappen Zeitbudgets zusammengehen. Vertretern der reinen Lehre („Die Leute sollen gefälligst selber kochen!“) mag das übel aufstoßen: Die Bequemlichkeit ist ein Faktum. Wenn Bio weiter wachsen will, dann muss es sich auch mit dem Schweinehund der Konsumenten gemein machen.

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Immer mehr Produkte adressieren auch ganz klar Kinder: Schokoriegel, Gummibären, Sojadrinks. Damit einher geht auch der sich abzeichnende Trend zu Lizenz-Produkten und Zielgruppen- Packaging. Im Vorjahr hatte bereits Waschmittelhersteller Ecover, den Cartoonfisch „Nemo“  lizenziert und auf seinen Verpackungen platziert. In Nürnberg präsentierte die Firma Rosengarten, „Shaun das Schaf“ als prominenten Werbehelfer für ihre Müslis.

Ebenfalls ein klassischer Marketing-Zugang: eigene Produktlinien extra für Männer. Wobei die bislang leider kaum über Grillsaucen, feurigen Senf und Chili hinausgekommen sind. Dennoch ein gelungenes Beispiel: die „Dirty Harry BBQ Sauce“ von Münchner Kindl. Es steht auch exemplarisch für den Trend zum Retro-Design, das mit der einst üblichen Bio-Anmutung gar nichts mehr zu tun hat.

Dass neue Bio-Produkte von kleinen, urbanen Manufakturen auf schickes Design setzen und stylish daherkommen, ist man fast schon gewohnt. Etablierte Marken wagen es hingegen selten einmal, sich punkto Gestaltung zu verjüngen. Deshalb muss Verival für seinen Mut – und das gelungene Design – gelobt werden. Die Produkte sind plötzlich nicht nur gut, sondern auch schön – und dennoch für Stammkunden wiedererkennbar geblieben.

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Ein heißes Thema, bei dem man wie selten sonst erkennt, dass Ernährung politisch ist, tauchte vor allem im Rahmen- und Kongressprogramm der Biofach immer wieder auf: Schlachtungen. Bei weitem nicht alle der neuen Veganer sind überzeugte Fleischverweigerer. Viele treibt das Unbehagen, dass auch die meisten biologisch gehaltenen Tiere in konventionellen Industrieschlachthöfen ein Ende finden, zum Verzicht auf Fleisch und Tierisches. Das wird – eine These zum Schluss – das nächste große Thema.

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