Elevate 2010: Mobilize
Ein Tag voller motivierender Vorträge und Diskussion darüber wirklich etwas zu tun: Das war der Samstag am Elevate in Graz. Die Bewegung ist schon im Gange und sie ist global, ich muss nur noch teilhaben – so der Tenor. Der heutige Tag war ein Aufruf seine Kreativität einzusetzen und die Veränderung zu leben.
Begonnen hat das Diskursprogramm heute mit der Vorstellung zweier Projekte ganz in der Nähe des Veranstaltungsortes: „Rettet die Mur!“ kämpft dafür, dass die geplanten Wasserkraftwerke bei Graz gestoppt werden – alle Fakten sprechen für die Initiative, trotzdem hat die Rodung des Grünkorridors um die Mur schon begonnen.
„Nein zu ÖDK“ und „Frauenappell“ versuchen ein Kraftwerkprojekt 20 km vor Graz aufzuhalten. Hier soll ein ehemaliges Braunkohlekraftwerk als Steinkohlekraftwerk wieder in Betrieb genommen werden und zwar doppelt so intensiv. Die Bürgerinitiative sieht sich mit kontinuierlichem Zynismus vonseiten der Politik konfrontiert („Tatsache ist, dass wir kein Luftkurort sind,“ so der Bürgermeister der Gemeinde, in der das Kraftwerk steht.)
Beide Initiativen sind Beispiele dafür, wie die Zivilgesellschaft aufhört, auf Veränderungen vonseiten der Politik zu warten und selbst aktiv wird.
Ein spannender Vortrag der beiden Buchautoren Klaus Schönberg und Ove Sutter („Kommt herunter – reiht euch ein„) durchleuchtete danach unterschiedliche Formen des Protests und ihre symbolischen Bedeutungen. In sehr akademischer Art wurde hier vor allem das kommunikative Element des Protests analysiert – seine Gerichtetheit nach außen und seine Community-Bildung nach innen. Sie haben sich dabei in erster Linie mit ritualisierten („Schwarzer Block“) und kreativen („Kommunikationsguerrilla“) Formen des Protests der radikalen Linken auseinandergesetzt. Ein weiterer wichtiger Aspekt war ein Shift im sozialen Protest in einer Zeit des Post-Fordismus. Es gäbe zwar noch Förderbänder und Fabriksarbeiter, aber ein großer Teil der heute Beschäftigten wären im Bereich der kognitiven, nonmateriellen Arbeit tätig.
Clemens Apprich beschäftigt sich in seiner Dissertation mit den Online-Communities der frühen 90er und kam bei seinem heutigen Beitrag zu dem Schluss, dass die Prinzipien des Web 2.0 gar nicht so neu sind und Online-Proteste das Aufbegehren auf der Straße nicht ersetzen könnten.
Eine Diskussionsrunde des ökosozialen NGO-Netzwerkes „Wege aus der Krise“ (Greenpeace, Attac!, Armutskonfernz…) zeigte heute anfangs einen stark reformistischen Charakter, der auf die Zusammenarbeit mit Regierungen abzielt. Doch nach zwei vollen Stunden auf dem Podium zeigte sich bei den Vertretern immer mehr eine überraschend nihilistische Weltsicht, die aus einem unerfindlichen Grund aber nicht resignativ, sondern sehr motiviert wirkte. Fazit der Runde: eine Form des Protestes reicht nicht aus, vielmehr muss es auf mehreren Ebenen stattfinden.
Den heutigen Höhepunkt bildete der eben gezeigte Film Cultures of Resistence (Europapremiere!) – gescreent wurde er im zum bersten gefüllen Forum Stadtpark unter Anwesenheit von Regisseurin Iara Lee. Der Film zeigt unterschiedliche Formen des Protests weltweit und ist trotz der enthaltenen erschütternden Brutalität, die viele Regionen der Welt beutelt, nicht erdrückend, sondern zeigt: resistence is fertile, not futile! Der Applaus des Publikums war eklektisch, die anschließende Diskussion mit der Regisseurin war, ganz im Kontrast zu den bisherigen Positionen am Elevate, ein Aufruf zu verreisen, andere Länder zu erleben und Teil der globalen Bewegung zu werden.
Der heutige Tag zeigte also sehr viele kreative Formen, wie Veränderung erreicht werden kann. Es obliegt wohl jedem selbst zu entscheiden was er oder sie wirklich tun möchte. Der Autor dieser Zeilen fühlt sich jedenfalls sehr motiviert und freut sich auf zwei weitere Tage Diskursprogramm – morgen geht es hier in Graz zum Beispiel um zivilgesellschaftliche Initiativen in Österreich und weltweit.
Imre Withalm