Für Österreich etwas bewegen – ein Journalist und ein Künstler gegen Rassismus in Bild und Wort
Mohren und Afrikanerkopf im Profil – die Vorarlberger Brauerei Mohrenbräu präsentiert sich seit nahezu 100 Jahren mit einem Logo, das von der schwarzen Community in Österreich als beleidigend wahrgenommen wird. Der Journalist Simon Inou und der Künstler Mara Niang haben deshalb das alternative Logo „No Mohr“ entworfen und eine Kampagne gestartet. Simon Inou und Mara Niang im BIORAMA-Interview.
Mit ihrem Projekt „No Mohr“ möchten Simon Inou und Mara Niang gegen Stereotype ankämpfen und Bewusstsein dafür schaffen, dass vieles, was manche als ganz normal empfinden, für andere beleidigend sein kann. Ihr alternatives Logo mit dem Schriftzug „No Mohr“ soll ein Vorschlag sein, die beiden wollen einen gesamtgesellschaftlichen Diskurs entfachen und die Brauerei zu neuen Überlegungen animieren. BIORAMA hat außerdem bei Mohrenbräu nachgefragt, wie sie mit der Kritik umgehen und was sie von dem alternativen Logo halten.
BIORAMA: Simon, man kann von dir lesen, dass du schon einige Unternehmen zum Umdenken bezüglich ihrer Darstellung nach außen gebracht hast. Was entgegnet ihr Menschen, die versuchen, diese Art von Rassismus mit Argumenten wie „Das ist ja nur ein Logo!“ zu relativieren?
Simon Inou: Ein Logo ist das wichtigste Element, das eigentlich Botschaften verbreitet. Wenn wir uns nur an das Hakenkreuz der Nazis erinnern, brauchen wir darunter nicht einmal NS schreiben, um die Bedeutung zu assoziieren. Und das, obwohl das Hakenkreuz nicht von den Nazis stammt. Es ist nicht einfach nur ein Logo, sondern transportiert die Philosophie und das Image eines Unternehmens nach außen. Und dieses Image ist für uns als Gesellschaftskritiker das greifbarste, was wir haben. Der Brauereigründer vom Mohrenbräu hat seine Fantasie auf ein Plakat gebracht, die heute nicht mehr akzeptabel für eine moderne Gesellschaft ist.
Mara Niang: Bei dem Logo gibt es zwei Probleme. Das erste ist der Name „Mohr“, der Familienname des Brauereigründers. Das zweite ist der Kopf. Man identifiziert beides mit der Firma. Sieht man das eine, denkt man an das andere. Hier drängt sich die Frage auf: Was hat der Name Mohr mit einem afrikanischen Kopf zu tun? Stell dir einen internationalen Event vor – da würde so ein Logo niemals hin passen und die Brauerei wird deshalb auch nie gebucht werden oder würde sofort zensuriert werden.
Wie ist es dazu gekommen, dass ihr zusammenarbeitet?
SI: Wir kennen uns seit dem Mozartjahr 2006. Damals hat Niang den Slogan „Neger raus“ modifiziert und das G gegen ein V ausgetauscht. Da haben wir angefangen über Verschiedenes zu diskutieren und sind so irgendwann auf Mohrenbräu gestoßen. „Wir haben die Kapazitäten“, habe ich zu ihm gesagt,“ also lass uns gemeinsam etwas machen“. Die Entwicklung hat ungefähr zwei Monate gedauert.
MN: Uns verbindet vieles, wie unsere Herkunft. Wir sind beide aus Afrika. Ich aus Senegal und Simon aus Kamerun. Unsere Muttersprache ist Französisch, deshalb verstehen wir uns auch sprachlich so gut. Wir sind beide in den Medien tätig. Simon ist Journalist und ich bin Medienkünstler. Wir sind also auf drei Ebenen verbunden.
SI: Außerdem sind wir sehr gesellschaftskritisch und haben keine Angst unsere Kritik in die Gesellschaft tragen. Wir haben auf Facebook schon so viele beleidigende Kommentare und sogar Drohungen erhalten. Das gehört zum Geschäft. So lange unser Leben nicht wirklich bedroht ist, können wir damit umgehen. Unser Ziel ist ein Österreich, das frei von anti-schwarzem Rassismus ist.
Gab es auch positive Reaktionen auf euer Projekt?
SI: Positive Reaktionen gab es auch. Das ist, was uns Kraft gibt, auch wenn die Resonanz eher negativ als positiv ist. Für uns ist es wichtig, dass sich die österreichische Zivilgesellschaft einschaltet.
MN: Es ist unsere natürliche Aufgabe trotz der vielen negativen Reaktionen weiterzumachen. Simon ist Journalist und würde deshalb nie schweigen. Ich bin Künstler und werde es auch nicht. Wenn bei uns in der Familie irgendetwas nicht richtig ist, sagt der Vater gar nichts, sondern räuspert sich laut: „Hrm, Hrm.“ Und du weißt genau, was er meint. Das ist bei meinen Arbeiten genau das gleiche und auch hier bei unserem Projekt. Wir haben Augen und wir haben Ohren, wir sehen jeden. Wenn irgendetwas falsch ist, räuspern wir uns, um den Menschen zu signalisieren, dass man das nicht darf.
Bei „Never Raus“ bleibt wenig Bezug zum Original, bei „No Mohr“ bleibt er erhalten. Wieso habt ihr euch nicht für einen komplett neuen Namen entschieden?
SI: Wir haben mit dem bekannten Namen einer bekannten Firma gearbeitet. Dieser Name hat eine rassistische-historische Tradition. Wir leisten hier eine gewisse Entwicklungshilfe für Österreich, indem wir unsere Gesellschaft fragen, wie wir mit Minderheiten umgehen, wie wir mit ihnen sprachlich umgehen und wie wir Diskriminierungen, auch wenn sie nicht sofort sichtbar sind, wahrnehmen. Das kostet Zeit, das kostet Kraft, das kostet auch manchmal deine Karriere. Sacrifice für ein langfristiges Ziel.
MN: Ich würde auch sagen, wir schreiben die Geschichte. Wir sind Teil der österreichischen Geschichte und wir schreiben einen Teil der österreichischen Geschichte – und das machen wir selbst.
SI: Von der Fremddarstellung zur Selbstdarstellung.
Klingt nach Edward Said. Mit „No Mohr“ wollt ihr das Problem also nicht verschweigen, nicht im Hintergrund verschwinden lassen, sondern innerhalb der Geschichte existieren lassen?
SI: Genau. Es ist Teil der Geschichte und es ist Teil der Geschichte, die in Österreich verschwiegen wird. Man redet nicht gerne über Dinge, die unangenehm sind. Das ist nicht die Art und Weise wie wir in einer modernen Gesellschaft leben sollen. Wenn wir Lösungen finden, ist das schön, wenn nicht, denken wir weiter. Das gilt auch für Straßennamen. Wir brauchen gescheite Namen von Österreichern und Österreicherinnen, die für dieses Land stehen und keine Beleidigungen, die Leute fertig machen.
MN: Die Firma soll nicht unbedingt unser Logo für ein neues verwenden. Es ist ein Vorschlag. Wir möchten eine Debatte anregen. Wenn sie mit einem ganz anderen Logo kommen, ist das auch okay. Wir wollen nur den Begriff „Mohren“ und den Kopf entfernt sehen.
Den Kopf habt ihr gegen den Baum Baobab ausgetauscht – auch der wird kritisiert, nämlich, dass er aussehe wie ein Afrikanerkopf von hinten. Was bedeutet der Baobab?
MN: Ich habe eine persönliche Verbindung zu diesem Baum. Seit Jahren spielt er in meinem Graphik-, Textil- und Modedesign eine große Rolle. Baobab und der Löwe sind nämlich die nationalen Symbole Senegals. Baobab ist ein gigantischer Baum, der größte Baum in Afrika, sehr imposant, und er lebt ewig.
SI: In Afrika kommen die Menschen am Baobab zusammen, um zu diskutieren und Entscheidungen zu treffen. Mit dem Baobab als Symbol wollen wir so unser Ziel unterstreichen: Diskussionen anzuregen. Die Franzosen würden sagen, er ist ein Baum, wo man debattieren muss. Debattieren ist in der französischen Kultur sehr verankert.
Wann muss Tradition dem Fortschritt weichen?
SI: Gustav Mahler hat einmal gesagt: „Tradition ist die Bewahrung des Feuers und nicht die Anbetung der Asche“. Das bedeutet, Tradition muss in gewisser Weise im Rahmen der Moderne adaptiert werden. Das Logo vom Mohrenbräu wurde in den letzten 100 Jahren total adaptiert, bis heute. Für mich ist Tradition nichts Totes, sondern etwas Lebendiges, was man pflegen, verändern und anpassen kann. Wenn sich Menschen davon beleidigt fühlen, dann muss die Firma darüber nachdenken und sich fragen, was genau sie meinen.
MN: Wir akzeptieren Tradition, aber das hier ist schlechte Tradition.
Vor fast 200 Jahren übernahm Franz-Anton Huber die Brauerei und das Logo wurde, wie du sagst, in den letzten 100 Jahren etliche Male modifiziert. Warum haben sie es bisher noch nicht in eine zeitgemäße Version abgewandelt?
SI: Es ist für ein Unternehmen extrem schwierig sein Logo zu ändern. Wenn eine Firma in einer tiefen Krise steckt, wie zum Beispiel in Konkurs, ist es leichter. Die Bank Austria hat ihr Logo verändert, um die alte Last abzuschütteln und sich ein neues Image zu verpassen. Die Mohrenbrauerei weigert sich aus Traditionsgründen ihr Logo zu verändern. Wir sagen, es ist zwar Tradition, aber Tradition ist auch eine Möglichkeit etwas an unsere Gesellschaft anzupassen und Diskussion zu entfachen. Das ist auch der Grund für unser alternatives Logo. Das Logo ist einfach rassistisch – für Schwarze, die in Österreich leben, extrem beleidigend und transportiert Stereotype, die wir und unsere Kindern nicht mehr sehen wollen. Also reden wir darüber. Da wir in einer Gesellschaft leben, die nicht gerne redet, sondern sudert, steht man damit an. In Österreich hat kaum jemand den Mut mit seiner Kritik nach vorne zu treten, deswegen tun wir es.
MN: Für mich ist es so: es ist möglich, das Logo zu ändern. Aber nur, wenn sie wollen. Viele Firmen wie Autofirmen und Banken haben ihre Logos stets verbessert und das Geschäft ist aber geblieben, wie es immer war. Wir kämpfen nicht nur für uns, sondern für unsere Kinder und alle folgenden Generationen.
>>WEITER zu Teil 2 des Interviews und zur Stellungnahme von Mohrenbräu…