Mehr als H & O

Wasserkrug

BILD Jürgen Schmücking

Wasser ist in aller Munde. Der Siegeszug von Wasser am Wirtshaustisch ist nicht aufzuhalten. Für Gastronomen eine spannende Herausforderung. Über die Renaissance des Wassers in der Gastronomie.

Begonnen hat alles in Wien. Genauer gesagt, im Kaffeehaus. Dort wird – und das seit gefühlten Urzeiten – zu Mokka, Melange und Co. ein kleines Glas Wasser serviert. Warum, weiß eigentlich keiner genau. Die einen sagen, weil es gesund ist. Der Kaffee regt neben Hirn auch die Nieren an, und damit die auch etwas zu arbeiten haben, gibt es eben das Wasser gleich dazu. Nett, aber dagegen sprechen zwei Gründe. Erstens, niemand glaubt allen Ernstes, dass einem Wiener Kaffeehaus-Ober an der Gesundheit seiner Gäste gelegen ist und zweitens, über die Menge, die in dem kleinen Glas serviert wird, können unsere Nieren nur lächeln. »Die Qualität des Wiener Wassers« sagen die anderen. Möglich. Immerhin gilt das Wasser vom Schneeberg als eines der besten der Welt. Aber das Kaffeehaus als früher brand ambassador? Eher unwahrscheinlich. Dann gibt es noch die Theorie, dass nach jedem Schluck Kaffee der Gaumen mit einem Schluck Wasser »neutralisiert« wird. Es mag Kaffeehäuser geben, in denen das tatsächlich notwendig ist. Als Erklärungsversuch ist das Argument aber völlig unbrauchbar, weil es ein antihedonistisches Bild von Kaffee und Kaffeegenuss unterstellt. Wir gehen schließlich nicht ins Kaffeehaus, um uns das Aroma schnellstmöglich vom Gaumen zu spülen. Schlüssiger (und sympathischer) ist da schon die Legende vom wertvollen Gut, das die Nomaden ihren Gästen serviert haben, um ihren Respekt zu zeigen. Reines Wasser hatte für die Menschen Arabiens einen wesentlich höheren Stellenwert als Kaffee. Irgendwie haben die Kaffeehausbesucher aber verlernt, das zu schätzen. Setzen Sie sich in ein Café und beobachten Sie, was mit dem Glas Wasser passiert. Die Menschen ignorieren es, schütten es achtlos runter oder um, lassen es warm werden oder lösen ihr Aspirin darin auf.

Von Wohlbefinden bis Organvitalität

Szenenwechsel. Raus aus der Stadt, in irgendeinem Landgasthaus. Was auf der Karte steht, geht als gutbürgerliche Küche durch. In der Mitte des Tisches steht ein formschöner Krug Wasser. Im Wasser schwimmen grüne Blätter von Minze und Zitronenthymian. Es duftet frisch, kühl und animierend. Und es schmeckt köstlich. Wem das zuviel Gemüse ist, der kann wahlweise auch Steinewasser oder einfach auch nur »normales Wasser« haben. Sonst stehen eigentlich keine Getränke am Tisch. Höchstens ein paar Bier für den oder die Herren in der Runde. Getragen vom steigenden Gesundheitsbewusstsein erlebt das Wasser eine Renaissance sondergleichen. Nicht nur in Wirtshäusern wie diesem, auch in modernen Restaurants, Beisln, Biergärten (!) und anderen Stätten der Gastlichkeit. Verwunderlich ist das nicht. Immerhin gilt Wasser mit Fug und Recht als das natürlichste und auch gesündeste Getränk überhaupt. Nicht einfach nur »gesund«, sondern schlicht unentbehrlich. Die ernährungsphysiologische Bedeutung von Wasser ist daher enorm. Stoffwechsel, Flüssigkeitshaushalt, allgemeines Wohlbefinden, Organvitalität oder Temperaturregulation. Wasser ist schlichtweg die existenzielle Grundlage unseres Seins. Und klarerweise gibt es ohne Wasser auch keine Pasta und keine Suppe. Aber das ist eine andere Geschichte.

Was kostet Wasser?

Es gab in den letzten Jahren in der Gastronomie kaum eine Diskussion, die emotionaler geführt wurde, als die Frage nach dem (Leitungs-)Wasser auf der Rechnung. Die Einen (die Gäste) sind empört, weil sie für ein Gut zahlen sollen, das der Wirt ohne (nennenswerte) Kosten aus dem Hahn rinnen lassen kann. »Wasser ist Grundrecht und für alle da!«, könnte man die Sichtweise auf den Punkt bringen, und sie haben natürlich Recht damit. Dem halten die Anderen (die Gastronomen) entgegen, dass es vom Wareneinsatz her ziemlich egal ist, ob ein Kaffee, ein Wasser oder ein Glas Wein serviert. Die eigentlichen Kosten entstehen in der Gastronomie ganz wo anders. Pacht, Ausstattung, Werbung, Personal natürlich. Diese Kosten gilt es, auf die servierten Produkte umzulegen. Es ist auch egal, was im servierten Glas ist. Ob Wein, Bier oder Wasser, der Arbeitsaufwand im Service ist ziemlich gleich. Und genau genommen haben auch sie Recht.

Eine vertrackte Situation, deren Lösung in der Aufwertung von gewöhnlichem Trinkwasser liegen könnte. Mit Kräutern oder Früchten aromatisiertes Wasser wie im Beispiel beschrieben ist nur eine Möglichkeit. Im Panoramagasthaus Neue Gufl in Tulfes, Tirol bekommen die Gäste einen hohen Krug mit einer Kugel aus Zirbenholz. Zehn Minuten reichen, und das Wasser nimmt den Duft von frisch geschlagenem Zirbenholz auf. Im Nikolaihof, dem grandiosen Weingut und Gasthaus in Mautern, Niederösterreich bekommt man Steinewasser nicht mit den üblichen Verdächtigen (Amethyst, Bergkristall und Rosenquarz), sondern mit Urgesteinsbröckerln, auf denen auch die biodynamisch gepflegten Reben des Weinguts stehen.

Schließlich haben wir noch die verschiedenen Philosophien und Mysterien zur »Belebung« von Wasser. Trotz unterschiedlicher Zugänge von Grander, Pichler & Co. ist die Grundidee immer gleich: Im Gegensatz zu frischem Quellwasser hat Leitungswasser auf dem Weg zum Wasserhahn an Energie verloren. Angeblich führen diese »Belebungssysteme« die verlorene Energie wieder zu und geben dem Wasser seine ursprüngliche Lebendigkeit zurück. Zu finden in erstaunlich hoher Zahl in heimischen Hotels und Restaurants.

Man kann zu alldem stehen, wie man will. Fakt ist, dass sämtliche genannten Methoden, das Wasser aufzuwerten, ohne Aromen, Zucker und ohne gröberen Verarbeitungsprozess auskommen. Das Wasser bleibt, was es ist: Wasser – und genau das sollte uns auch etwas wert sein.

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