Fahrradkurs für Erwachsene
Die Radfreunde versuchen das Thema Nachhaltigkeit am Beispiel des Radfahrens mit der Sozialdemokratie zu vereinen. Der Radverkehr ist gelebte nachhaltige Alltagsmobilität mit positiven Auswirkungen auf die Lebensqualität, Gesundheit, Umwelt, das Sozialgefüge und die wirtschaftliche Situation der Menschen. In Kooperation mit der BIORAMA und dem ARBÖ veranstalten die Radfreunde Fahrradkurse für Erwachsene. Gedacht sind diese für Erwachsene, die kaum Praxis am Fahrrad besitzen oder gar nie Radfahren gelernt haben. BIORAMA hat dazu mit dem Gründer der Radfreunde, Armin Hanschitz, gesprochen.
BIORAMA: Ein Fahrradkurs für Erwachsene – warum braucht es das? Man geht immer davon aus, jeder könnte Fahrradfahren…
Armin Hanschitz: Es gibt einerseits ältere Menschen, die keine Fahrradpraxis besitzen und gerne auf einem Übungsplatz wieder in Schwung kommen. Andererseits gibt es aber auch Menschen, die nie Fahrradfahren gelernt haben und damit die Möglichkeit bekommen, sich auf ein Lernen ohne Stress einzulassen. Menschen mit Migrationshintergrund haben dabei oft ein gewisses Manko. Für sie wollen wir gerne die Möglichkeit bieten zukünftig sicher mit dem Rad unterwegs sein zu können.
Wie oft benutzen Sie selbst ihr Rad? Schrecken Sie dabei vor schlechter Witterung und Kälte zurück?
Ich selbst bin Alltagsradfahrer und nutze das Rad sooft ich Lust habe – das ist fast täglich. Wenn es regnet habe ich persönlich weniger Lust und steige dann gerne auf die öffentlichen Verkehrsmittel um. Kälte macht mir weniger aus. Es ist für mich eine gute Gelegenheit mich auch zwischendurch im Freien aufzuhalten, indem ich ins Büro und privat per Rad unterwegs bin. Dadurch komme ich im Schnitt in der Woche auf 30-50 km ohne eine große Radtour gemacht zu haben.
Laut einem Artikel in der Wiener Zeitung sind zwei Drittel aller Wege, die die Wiener so haben, unter 5 km lang und könnten somit am schnellsten mit dem Rad bewältigt werden. Trotzdem wird viel zu oft aufs Auto zurückgegriffen. Was ist der Hauptgrund dafür Ihrer Meinung nach?
Für viele junge Menschen, und besonders für die aus südosteuropäischen und osteuropäischen Kulturkreisen ist es wichtig, ein eigenes Auto zu besitzen denn dies sagt in ihren Augen etwas über ihre soziale Stellung aus. Menschen, die in den 50- bis 70ern aufgewachsen sind, also in der Zeit indem die Vollmotorisierung für Modernität gestanden hat, empfinden das Auto auch noch oft als ein Artefakt des Aufstiegs, das ihnen nicht genommen werden darf. Und dann ist es für viele einfach die pure Gewohnheit oder Bequemlichkeit, oder beides.
Was müsste Ihrer Meinung nach geschehen, damit mehr Menschen aufs Rad umsteigen?
Das Radfahren wird derzeit in Wien recht stark emotional debattiert. Es fahren zwar immer mehr Menschen mit dem Rad, bestimmte Strecken sind für ungeübte Radfahrer allerdings immer noch nicht sicher zu befahren. Einerseits ist die bauliche Beengtheit Grund dafür, andererseits, so meine Beobachtung, das respektlose agieren mancher Radfahrer untereinander. Mir fällt fast bei jeder Ausfahrt auf, dass gewisse RadfahrerInnen nur wenig Rücksicht auf andere Radfahrende oder Fußgänger nehmen. Deshalb fahren oft die sportlichen Jungen, die anderen trauen sich das nicht zu. Damit aber mehr Menschen aufs Rad steigen, müsste schon bei Kindern auf die Vorteile des Radverkehrs sensibilisiert werden. Es ist einerseits ein Bewusstseinsbildungsprozess und andererseits braucht es einen offensiven Ausbau des Fuß- und Radwegeinfrastruktur. Parallel muss auch die Nutzung der öffentlichen Verkehrsmittel gefördert werden. Der öffentliche Raum sollte nicht als „Lagerfläche“ für Autos verwendet werden, dafür ist er wertvoll.
Viele Menschen fahren gerne Fahrrad lassen sich aber von genau diesen Dingen abschrecken und erklären das Fahrradfahren zum Hobby. Was raten Sie ihnen?
Das ist schon mal eine gute Ausgangsbedingung, immerhin sind sie somit geübte RadlerInnen. Aber um eine entsprechende Lebensqualität in der Stadt für möglichst viele erreichen zu können, muss der motorisierte Individualverkehr möglichst gering werden, um weniger CO2, Staub, Stickoxide etc. zu emittieren, damit der problematische CO2-Gehalt, das bodennahe Ozon im Sommer, die Feinstaubproblematik, aber auch der Lärm weniger wird. Radfahren ist sehr praktisch, wirtschaftlich günstig und die tägliche Bewegung im Freien ist eindeutig lebensverlängernd. All das ist bewiesen und es macht dazu auch noch Spaß, man schüttet Endorphin aus – viel mehr Vorteile sind kaum möglich.
Ich fahre selbst gerne und oft mit dem Fahrrad, daher will ich auch ein gut funktionstüchtiges besitzen- schleunigst wurde es gestohlen. Was könnte gegen die hohe Zahl der Fahrraddiebstähle getan werden?
Das ist in der Tat eine heikle Situation, ist mir leider auch schon mehrmals passiert. Dagegen helfen mehrere Maßnahmen. 1. Gut sichern! Mit einem stabilen Schloss und einer geeigneten Möglichkeit zum Anhängen. Absperrbare und genügende Fahrradboxen wären natürlich ideal. Im modernen Wohnbau sind entsprechende Fahrradräume bereits Usus, in den Gründerzeithäusern ist es oft problematisch. 2. Müsste die Polizei diesbezüglich einfach mehr kontrollieren, damit die Banden davor mehr abgeschreckt werden. Dabei sehe ich aber das Problem, dass dafür realistisch gesehen kaum Personalressourcen vorhanden sind.
Wie sehen Sie die Zukunft der Fahrradfahrer in Österreich oder speziell in Wien? Sind sie zuversichtlich? Wird die Zahl der Radler steigen?
Ja, absolut! In 20 Jahren wird sich das Straßenbild diesbezüglich bereits völlig verändert haben. In den nächsten 5-10 Jahren wird’s ein Hick-Hack bleiben weil die extremen Auto- und andererseits die extremen Rad-BefürworterInnen ihren Glaubenskrieg noch ausbauen. Die beiden Gruppen müssten viel mehr aufeinander zugehen, denn derzeit ist das einfach ein Machtkampf. Wie so oft, wenn Veränderung notwendig ist, gibt es einerseits die Beharrer und andererseits diejenigen, denen es zu langsam vorwärts geht. In rund 10 Jahren ist dieser Wandel konsolidiert und danach ist die Raddebatte auf diesem Emotionslevel hoffentlich obsolet.
Nähere Infos zum Fahrradkurs für Erwachsene:
Wann: Sonntag, 18. August 2013
Wo: ARBÖ Radübungsplatz (Wien 23, In der Wiesn, direkt bei der U6 Station Erlaaer Straße)
Anmeldung: www.radfreunde.at bzw. www.arboe-rad.at