Fabelwelt: Wiens erste multilinguale Kinderbuchhandlung
Mit der Fabelwelt hat Wien nun einen Laden, der Kinderbücher aus aller Welt führt. Die Betreiberinnen Lona Szep und Agnes Wenninger sind „alleinerziehende Mehrfachmamis“ und Quereinsteigerinnen. Unter dem Motto „Sharing is caring“ stellen sie auch eine offene Auslage zum Tausch gebrauchter Kinderbücher zur Verfügung.
BIORAMA: Generell schließen dieser Tage eher Buchhandlungen als dass neue eröffnet werden. In dem Grätzel, das ihr euch für die Fabelwelt ausgesucht habt, haben zuletzt einige traditionelle Buchhandlungen zugesperrt. Was macht euch so sicher, dass Wien gerade eine weitere Kinderbuchhandlung braucht?
Lona Szep: Eine weitere Kinderbuchhandlung ist eher übertrieben, da es in Wien nur eine einzige reine Kinderbuchhandlung gibt – Kunterbuch im 1. Bezirk.
Agnes Wenninger: Da wir eine multilinguale Kinderbuchhandlung sind, sind wir einzigartig in ganz Österreich. Alle Großstädte von Berlin bis Paris haben eine oder mehrere internationale und multilinguale Kinderbuchhandlungen, nur in Wien haben wir bis jetzt gefehlt. Da nach einigen Für-und-Wider-Umfragen in unserem Bekannten- und Freundeskreis immer ein positives Feedback auf unsere Idee und Konzept zurückkam, haben wir uns dran getraut, und sind über unsere Entscheidung glücklich.
Woher kommt denn die Idee, auf ein polylinguales Sortiment zu setzen? Wachsen eure eigenen Kinder mehrsprachig auf?
Lona Szep: Es gibt einfach sehr viele mehrsprachige Familien in Wien. Was gibt es denn Schöneres, als seinen Kindern Geschichten und Märchen aus der eigenen Kindheit in der eigenen Muttersprache weiterzugeben? Auch kann es für heranwachsende Kinder – ob perfekt Deutsch sprechend oder nicht – nur förderlich sein, auch in ihrer jeweiligen Zweitsprache lesen zu können. Natürlich kennen wir auch viele multilinguale Familien und meine Kinder wachsen tatsächlich auch mehrsprachig auf (Französisch, Russisch, Deutsch).
In welchen Sprachen wird die Fabelwelt Bücher anbieten?
Agnes Wenninger: Derzeit haben wir Bücher auf Französisch, Englisch, Russisch und Deutsch. Ausserdem einige bilinguale Bücher auf Deutsch/Englisch, Deutsch/Französisch, Deutsch/Griechisch, Deutsch/Türkisch, Deutsch/Italienisch, Deutsch/Spanisch, Deutsch/Russisch und Englisch/Spanisch, Englisch/Italienisch, Englisch/Französisch und Englisch/Chinesisch. Wir werden unser Sortiment in den nächsten zwei bis drei Monaten auf Spanisch, Italienisch, Portugiesisch, Finnisch, Schwedisch, Türkisch, Arabisch, Japanisch, Slowenisch, Polnisch, Tschechisch, Ungarisch und was wir sonst noch schaffen erweitern.
Adressiert ihr vor allem die gut situierte International Community oder seht ihr auch die großen Migranten-Communities wie Türken und Ex-Jugoslawen als Zielgruppe?
Lona Szep: Wir adressieren alle, die gerne lesen und vorlesen. Unabhängig von Herkunft und sozialer Schicht. Bücher sind ein Kulturgut und sollten jedem zugänglich und erschwinglich sein – deswegen gibt es auch das Preisbindungsgesetz im deutschsprachigem Raum.
Agnes Wenninger: Und weil uns das Weitergeben von Geschichten ein Anliegen ist, haben wir außen, neben unseren Schaufenstern zwei Schaukästen, die nicht verschlossen sind und unter dem Motto „Sharing is caring“ bzw. „Caring is sharing“ gebrauchte Bücher frei entnommen und gebracht werden können, in jeglicher Sprache. Dieses Konzept werden wir nächsten Sommer unter dem Namen Bücherwald noch erweitern.
Findet man in der Fabelwelt einen „Harry Potter“ auch auf Türkisch?
Lona Szep: Bei uns findet man momentan nicht einmal auf Deutsch „Harry Potter“. Eines unserer Anliegen ist es nämlich, nicht Massenware und Kassenschlager, die man sowieso bei Thalia & Co findet, anzubieten. Wir wollen besondere, wunderschön illustrierte, gute Geschichten zeigen, erzählen und natürlich auch verkaufen. Bei uns findet man Geschichten aus aller Welt, ob aus Indien, Südafrika, Norwegen oder Russland.
Agnes Wenninger: Trotzdem nehmen wir natürlich auch jedwede Bestellung entgegen. Auch „Harry Potter“ auf Japanisch.
Inwieweit ist denn der Kinderbuchmarkt globalisiert? Gibt es so etwas wie globale Spitzentitel?
Lona Szep: Was ist unter einem globalisierten Kinderbuchmarkt zu verstehen? Natürlich verkauft sich wahrscheinlich „Harry Potter“ in allen Sprachen, aber ist es nicht unsere Aufgabe auch tolle Geschichten, die es sonst nicht über den heimischen Markt hinausschaffen, unter Kinder zu bringen? Für uns ist es auf jeden Fall erstrebenswert.
Lassen sich heute noch regional unterschiedliche Kinderbuchkulturen feststellen?
Lona Szep: Schwer zu sagen, da es in erster Linie natürlich von den Eltern und ihrem Bildungsgrad abhängt. Und natürlich nicht zu unterschätzen ist der Einfluss der neuen Medien.
Welchen Stellenwert haben in der Fabelwelt österreichische Kinderbücher?
Agnes Wenninger: Wir haben eine kleine aber feine Auswahl an Büchern und Hörbüchern, die nur österreichische Sagen und Volksmärchen beinhalten. Außerdem führen wir und unterstützen wir kleinere österreichische und Wiener Verlage.
Gibt es außer den Büchern von Thomas Brezina und Christine Nöstlinger überhaupt zeitgenössische österreichische Kinderbuchautoren, deren Arbeiten in andere Sprachen übersetzt werden?
Lona Szep: Natürlich, Michael Roher ist ein großartiger Erzähler und wurde ins Italienische und Spanische übersetzt. Heinz Janisch, mindestens so bekannt wie Christine Nöstlinger, wurde ins Französische, Spanische, Italienische und Englische übersetzt, vielleicht auch in mehr Sprachen.
Anders als bei Büchern für Erwachsene fällt auf, dass gerade Kinderbücher besonders oft in Fernost produziert werden. Über Arbeitsbedingungen und Umweltauflagen kann nur spekuliert werden. Mit gutem Gefühl kauft man solche Produkte eher nicht. Gibt es für Kinderbücher eigentlich ein Gütesiegel wie für Biolebensmittel oder Fair-Trade-Produkte?
Lona Szep: Das können wir nicht beurteilen. Die Bücher, die wir bei uns führen, wurden ganz sicher in fairen Produktionen verlegt. Wir kennen so einige Verleger und ich glaube nicht, dass der Aufwand sich lohnt, die kleinen Produktionsmengen nach Indien oder China zu verlegen. Wir reden hier nicht von „Harry Potter“ und Co, solche Titel führen wir eh nicht.
Wiens bekannteste Kinderbuchhandlung „Kunterbuch“ führt neben Büchern auch CDs, DVDs, Becherlupen, Kinderkompasse und dergleichen. Was außer CDs gibt es in eurer Fabelwelt?
Agnes Wenninger: Bücher, Bücher und nochmals Bücher. Und wir unterstützen ein paar Wiener Jungdesigner, die noch in Handproduktion Spielpuppen, Accessoires und Kleidungsstücke für Kinder herstellen (alles Einzelstücke, keine Massenprodukte und aus hochwertigen Materialien, z.B. Biobaumwolle, mit naturfarben handgefärbte Wolle etc.). Was wir auf keinen Fall führen sind DVDs oder Videospiele. Wir möchten die Lust zum Lesen und zum Zuhören erwecken. Also auf in die fantastische Fabelwelt.
Zu Weihnachten werden besonders viele Kinderbücher gekauft? Gibt es 2012 einen besonderen Trend oder ungewöhnliche Titel, die besonders gut gehen?
Lona Szep: Da wir in der Branche neu sind, können wir nicht sagen, was heuer besser geht als die Jahre zuvor. Wir sind Mamis, die einfach ihrem Bauchgefühl mit der Auswahl der Titel folgen und wir stießen bis jetzt auf begeistertes Feedback, was uns einfach sehr freut.
Fabelwelt. Kinderbücher von nah und fern
Wien 4., Schleifmühlgasse 6-8
Montag – Freitag 10.30 bis 18.00 Uhr
Samstag 10.30 bis 15.00 Uhr
www.kinderbuecher-fabelwelt.com
Am Freitag den 7. Dezember (14.30 Uhr) liest der Kinderbuchautor Claudio E. Polzer aus seinem Erstlingswerk „Ratte Macchiato – Eine Geschichte vom Wiener Naschmarkt“. Für Kinder ab 5 Jahren.