Stille Wasser sind giftig
Sauberes Wasser ist die wichtigste Ressource schlechthin. Während in anderen Ländern kriegerische Auseinandersetzungen um dieses wertvolle Gut drohen, lässt Österreich im Marchfeld sein Grundwasser verkommen.
Das Marchfeld, östlich von Wien gelegen, ist mit 900 km2 eine der größten Ebenen Österreichs und somit Kornkammer und Gemüselieferant. Seit den 50er Jahren wird hier intensiv Landwirtschaft betrieben, teils mit massivem Einsatz von mineralischem Dünger. Als Folge davon ist das Grundwasser zu sehr mit Nitrat belastet – seit Jahrzehnten und aller Wahrscheinlichkeit nach noch für Jahrzehnte. Das ist nicht neu, vor über zehn Jahren hat die EU schon einmal ein Umweltverfahren gegen Österreich deswegen eröffnet. Österreich ist verpflichtet, regelmäßig einen Bericht bezüglich der EU Nitratrichtlinie zu erstellen, im Juli erschien der Bericht für 2012. Der Missstand ist also nicht nur bekannt, sondern muss sogar regelmäßig neu aufgelegt werden. Im Vorwort zum aktuellen Bericht hebt Niki Berlakovich, sowohl Umwelt- als auch Landwirtschaftsminister, die Verbesserungen hervor. Im Datenmaterial zeigt sich dann der immer noch schlechte Zustand im Marchfeld: Bei 65,3 % aller Messstellen ist der Nitratwert im Grundwasser höher als gefordert (>45 Milligramm pro Liter). Das ist ganz exakt der gleiche Wert wie 1992. Damit wird der Sollwert an genau gleich vielen Messstellen überschritten wie schon vor 20 Jahren. Das Grundwasser im Marchfeld eignet sich nach wie vor nicht als Trinkwasser.
Probleme?
»Das Erste, was ich hier gelernt habe, ist, dass man das Leitungswasser nicht trinken sollte«, erzählt die Angestellte einer Biolandwirtschaft. Tatsächlich wird dort am Hof auch nur Wasser aus der Flasche gereicht. Dabei ist das Leitungswasser der Gemeinden völlig unbedenklich – denn das wird aufbereitet, in vielen Gemeinden im Marchfeld von der EVN Wasser. Die wurde vor über 50 Jahren gegründet, eben weil das Grundwasser in weiten Teilen Niederösterreichs nicht mehr als Trinkwasser geeignet war. EVN Wasser betreibt am Brunnenfeld Obersiebenbrunn im Marchfeld seit 1999 eine biologische Nitratentfernungsanlage. Laut eigenen Angaben wird dort der Nitratgehalt im Grundwasser von rund 50 mg/l (entspricht Grenzwert für Trinkwasser) auf ca. 20-25 mg/l reduziert. Die Anlage produziert im Jahr etwa 1.2 Millionen Kubikmeter Trinkwasser, rund 30.000 Einwohner werden von EVN Wasser im Marchfeld versorgt.
Das Nitrat ist also keine direkte Bedrohung für die Trinkwasserversorgung. »Die stoffliche Belastung durch das Nitrat ist nicht wirklich schlimm. Der Salat wächst nur schneller«, so Reinhard Perfler vom Institut für Siedlungswasserbau, Industriewasserwirtschaft und Gewässerschutz der Universität für Bodenkultur. Perfler sieht in der Versorgung durch die EVN aber noch einen anderen Aspekt: »Die Versorgung nimmt den politischen Druck heraus. Und die Menschen gewöhnen sich daran, dass sie aufbereitetes Trinkwasser erhalten. Wenn ich überregional angebunden bin, ist mir das eigene Grundwasser egal.« Ganz egal ist der Landwirtschaft das Grundwasser natürlich nicht. Auf einem Biohof würde man beispielsweise die Biokarotten gerne selber waschen, doch dafür braucht es Trinkwasserqualität. Da das die eigenen Brunnen nicht bieten können, werden die Karotten von einer Firma gewaschen. Für die schlechte Grundwasserqualität am eigenen Boden kann der Biobetrieb nichts. Der Grundwasserkörper ist weitläufig und das Gefälle im Marchfeld gering; die Nitrateinträge können keinem direkten Verursacher zugeordnet werden.
Was wird getan?
Nicht nur aufgrund des Drucks der EU versucht Österreich das Nitrat in den Griff zu bekommen. Das erste Aktionsprogramm wurde 1996 der EU übermittelt. In vielen Regionen gab es auch Erfolge (siehe Karte). Maßnahmen wurden viele gesetzt, wer sich beim Umweltbundesamt nach dem Zustand des Grundwassers erkundigt, erhält die Informationen dazu automatisch. Einerseits gibt es das Agrar-Umweltprogramm ÖPUL: das österreichische Programm zur Förderung einer »umweltgerechten, extensiven und den natürlichen Lebensraum schützenden Landwirtschaft«. ÖPUL gilt Leistungen der Bäuerinnen und Bauern für die Umwelt ab, also auch Leistungen für den Gewässerschutz. Da es ein Förderprogramm ist, ist die Teilnahme freiwillig. Einer der Haken daran: »In ÖPUL kommt man nur rein, wenn man sich an eine gewisse maximale Bewirtschaftung hält. Das heißt aber auch, dass die echten Problemfälle gar nicht erfasst werden, weil für die das Programm finanziell uninteressant ist«, beschreibt Perfler einen der Schwachpunkte. Dennoch setzt das Ministerium auf Freiwilligkeit; Robert Fenz, Leiter der Abteilung Nationale Wasserwirtschaft im Lebensministerium will es neben den bestehenden verbindlichen Maßnahmen mit Förderprogrammen versuchen: »Bis 2027 sollen alle Grundwasserkörper in gutem Zustand sein«, so das Ziel. Verpflichtende Vorgaben kommen aus der »Guten Landwirtschaftlichen Praxis«. Auch die ist in der Nitratrichtlinie beschrieben. Es gibt Höchstwerte für die Stickstoffdüngung, Düngeverbotszonen neben Wasserläufen und Düngeverbotszeiträume. Das Nitrat-Aktionsprogramm wird laufend angepasst, für die Kontrolle ist die Agrarmarkt Austria (AMA) zuständig. Der Tiefkühlkostkonzern Iglo lässt seit 50 Jahren im Marchfeld anbauen. Auch er hat Schritte gegen den hohen Nitratgehalt im Grundwasser gesetzt: eine siebenjährige Fruchtfolge mit reduzierter Stickstoffdüngung, laufende Stickstoffmessung der Ackerböden und wo es möglich ist, wird auf Gründüngung nach der Gemüseernte gesetzt. Doch reicht das?
Kein Grund für Optimismus
»Wir versuchen seit 40 Jahren, mit dem Nitratproblem zurecht zu kommen, seit 20 Jahren stagnieren wir«, so Reinhard Perfler. Die Gründe sieht er einerseits darin, dass die Landwirte tatsächlich massiv unter wirtschaftlichem Druck stehen und andererseits auch in der starken Lobby der Landwirtschaft. »ÖPUL wurde im Jahr 2000 in seiner Umweltauswirkung evaluiert: Die Maßnahmen halten die Industrialisierung zurück, aber die Umweltauswirkungen selbst sind gering.« Ministerium und Umweltbundesamt sehen in der Trägheit des Grundwasserkörpers einen Grund, warum die Maßnahmen im Marchfeld nicht greifen. Die mittlere Verweilzeit betrage im Marchfeld mehrere Jahrzehnte. Aber gibt es einen Grund anzunehmen, dass die Maßnahmen dann greifen werden? Ein genauerer Blick in den Nitratbericht zeigt, dass die lange Regenerationszeit nicht der einzige Grund ist, warum kein positiver Trend zu erkennen ist. Noch heute wird zu viel Stickstoff in den Boden eingebracht. Robert Fenz vom Ministerium sieht ein Bemühen, das auch der Experte von der Boku nicht absprechen möchte. Doch Perfler ist wenig optimistisch: »Eine dauerhafte Verbesserung ist mit den Maßnahmen, die man bereit ist zu treffen, nicht möglich.«
Aktionsprogramm Nitrat
http://www.lebensministerium.at/wasser/wasser-oesterreich/wasserrecht_national/recht_gewaesserschutz/APNitrat2012.html
Agrarumweltprogramm ÖPUL
http://www.lebensministerium.at/land/laendl_entwicklung/agrar-programm.html
Nationaler Gewässerbewirtschaftungsplan
http://wisa.lebensministerium.at/article/archive/29367
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