Die schönsten Hühner der Welt
Für wen Sattledt bislang nichts als ein Verkehrsknotenpunkt zwischen Westautobahn und Innkreis war, der kann eines Besseren belehrt werden. Magdalena Mayr und ihr Lebensgefährte Jonathan bewirtschaften dort ihren Bio-Hof nach dem Prinzip der Community Supported Agriculture (CSA). Was das ist und was unglaublich gutaussehende Hühner damit zu tun haben, kann man hier nachlesen.
Am Ende findet man es doch. Nach anfänglichem kleinen Irrweg, der mit skeptischer Beäugung der Dorfbewohner ob des Wiener Kennzeichens bedacht wird, findet sich schließlich am Rande einer kleinen Wohnsiedlung unweit der Bundesstraße das gesuchte Anwesen. Genauer gesagt leben dort Magdalena Mayr, ihr Lebensgefährte Jonathan Martin und die einjährige Paulina und gewähren einen kleinen Einblick in ihr Leben auf dem mehrere hundert Jahre alten Hof, den bereits Magdalenas Großeltern als dritte Generation bewohnten. Auf der saftigen Wiese vor dem Vierkanter ziehen einen sogleich die sehr attraktiven Hühner mit höchst hipsteresken Frisuren in ihren Bann, die dort majestätischen Schrittes flanieren. Seidenhühner, wie sich später herausstellt. Kann man den Blick erst einmal wieder von ihnen abwenden, stellt man schnell fest, dass der Hof, den die Familie nach dem Prinzip des CSA bewirtschaftet, auch darüber hinaus noch einige Annehmlichkeiten zu bieten hat. Doch dazu später.
Die Selbstversorger-Zukunft
Durch den Vorraum gelangt man in den Innenhof, wo schon das grün gestreifte Gmundner Geschirr mit Keksen und Kaffee bereit steht. Bevor das eigentliche Interview beginnt, findet kurzfristig ein kleiner Rollenwechsel statt und sogleich wird klar, wer die resolute Magdalena befragen will, muss damit rechnen, zuvor selbst einer eingehenden Prüfung unterzogen zu werden. Alle Fragen geklärt, beginnt die junge Familie ebenso offenherzig zu erzählen.
Die beiden lernten sich bei einem Erasmus-Aufenthalt in Spanien kennen, wo der gebürtige Spanier Jonathan, der in Frankreich aufwuchs, Forstwirtschaft studierte. Magdalena absolvierte zu dem Zeitpunkt ihr Studium der Biolandwirtschaft auf der BOKU in Wien, wo sie insgesamt fünf Jahre lebte. Nachdem man einander gefunden hatte, war schnell klar, dass man eine gemeinsame, einträchtige Zukunft auch nach dem Erasmus-Taumel will. Und das am besten selbstversorgend auf dem biologisch bewirtschafteten Bauernhof. Der stand schließlich auch zur Verfügung, wurde doch der Hof von Magdalenas Familie seit 10 Jahren nicht mehr offiziell bewirtschaftet. Zwar wartete und pflegte Magdalenas Vater das Anwesen in all der Zeit, und während ihres Studiums unternahm Magdalena wochenendliche Ausflüge auf den Hof um Gemüse anzubauen und sich ihre praktischen Kompetenzen im Bereich der Landwirtschaft anzueignen, jedoch hatte die nachkommende Generation nach dem Ruhestand von Magdalenas Großvater zehn Jahre zuvor wenig Interesse daran, den Hof offiziell weiter zu bewirtschaften.
Keine Traktorwirtschaft
Im Sommer vor zwei Jahren bezogen die beiden dann ihre neue Residenz, bald darauf gefolgt von Töchterchen Paulina, welche während des gesamtenn Interviews mit unermüdlicher Energie in den Weiten des Innenhofes krabbelt und gräbt. Woher sie diese nimmt, scheint irgendwie naheliegend. „Wir stehen auf vielfältige und manuelle Arbeit“ sagen schließlich ihre Eltern. Und davon gibt es genug auf so einem Hof.
Auf über 1500 m2 Erntefläche gilt es die verschiedensten Gemüse, Kräuter (etwa Haferwurz, Purpurkarotten, Asiasalate, Zuckerschoten, Zitronenverbene) und Obstbäume zu kultivieren, und das vorzugsweise mit der Hand. „Wir wollen keine Traktorwirtschaft oder unsere Schweine auf Knopfdruck füttern.“ Die manuelle Bearbeitung ist im Vergleich zur maschinellen unvergleichlich schonender für Klima und Boden und setzt ihn dem Risiko diverser Schäden erst gar nicht aus. Ein Blick in den Geräteschuppen untermauert die tatsächliche Umsetzung dieses Ansatzes, lehnt doch im ansonsten weitgehend leestehenden Raum nur eine verkümmerte Radhacke im Eck. Um das Gras kümmern sich eben einfach die Schafe und die Schnecken werden von den im Garten frei laufenden Enten und den Hipster-Hühnern getilgt.
Produzenten und Konsumenten
Doch wie schafft man es, bei dem relativ hohen Arbeitsaufwand genügend Ernte zu produzieren, um davon leben zu können? Das Prinzip dahinter heißt Community Supported Agriculture, kurz CSE. Dies bezeichnet einen Zusammenschluss zwischen Produzenten und Konsumenten, die sich für einen gewissen Zeitraum verpflichten, die Produkte abzunehmen und sich somit Risiko und Kosten der Ernte teilen. Gleichzeitig erhalten sie dafür die Garantie auf biologische Ware höchster Qualität, ohne unnötige Transportwege und Zwischenhändler, bzw. ohne unnötige Verpackung. Dem Bauern stehen so die zeitlichen und finanziellen Ressourcen zur Verfügung, sich mehr oder weniger ausschließlich der Wirtschaft und der Qualität der Ernte zu widmen. Regelmäßige Treffen gewähren den Abnehmern Einblick in den Fortlauf von Anbau und Ernte und mitunter können sie bei der Wahl künftig angebauter Lebensmittel selbst mitbestimmen.
Ehrliche Freude an der Arbeit
Als Magdalena und Jonathan jenes Konzept in der Gemeinde vorstellten, war dies komplettes Neuland in der Region, mittlerweile ist die Resonanz jedoch mehr als positiv und der Probelauf mit fünf Familien im letzten Jahr bestätigte die beiden in ihrem Vorhaben. Die Kisten sind für ein bis zwei, bzw. große für drei bis vier Personen gedacht und sollen wöchentlich nicht mehr als 30€ kosten. „Wir müssen mit unserem Stundenlohn spielen, weil wir keine Wucherpreise wollen.“
Vergleichbare Projekte kompensieren dies durchaus schon mal mit schlecht bezahlten Erntehelfern und Pflückern und vergrößern damit ihre Gewinnspanne. Das kommt für die beiden nicht in Frage, sehen sie sich selbst schließlich nicht als Händler, sondern mehr als Produzenten mit ehrlicher Freude an ihrer Arbeit. Gewinn machen sie keinen, die Bezahlung deckt nur ihren Arbeitslohn. „Im Bio-Bereich ist eine der größten Gefahren, zu schnell zu groß zu werden. Klein und überschaubar ist einer unserer Werte“, sagt die 26-Jährige.
Ihre Kunden kennen sie alle persönlich, und bestenfalls soll das auch in Zukunft so sein. Mehr als 50 bis maximal 60 Familien wollen sie aus dem Grund nicht beliefern, und bislang haben sie fast alle Abnehmer durch Mund-zu-Mund-Propaganda lukriert. Selbst im Winter beliefert das Paar ihre Kunden mit knackigem Gemüse, teils aus dem hauseigenen Erdkeller, wo das ganze Jahr über Karotten, Kartoffeln und Wurzelgemüse lagern, teils frisch geerntet, wie im letzten Winter, als es bis auf zwei Wochen immer Spinat zu ernten gab.
„Sichere“ Nahrung
Erste Formen nahm das Konzept der CSA in den 1960er-Jahren in Japan an, ihren Name erhielt die Community Supported Agriculture aber erst nachdem sie in den 80er-Jahren auch in den USA an Boden gewann. Dem Zugrunde lagen das stärker werdende Bewusstsein bezüglich „sicherer“, lokal produzierter Nahrung und die Zunahme von Agrikultur bzw. Anbauflächen in Nähe der Städte. In Österreich hat CSA im Jahre 2011 erst relativ spät den Einzug gefunden. Eine Arbeitsgruppe „Gemeinsam Landwirtschaften“ fand sich damals zusammen, um für den Gärtnerhof „Ochsenherz“ ein Modell zu entwickeln. Dass das so lange dauerte, wundert den 27-jährigen Jonathan. In Frankreich sei man diesbezüglich schon um Einiges weiter und vor allem besser organisiert. Dort geht die Initiative für eine CSA oft von den Konsumenten selbst aus, die sich damit oft an eine landesweite Organisation für CSA wenden, die das Ganze dann koordiniert. Mittlerweile gibt es in Frankreich mehrere Tausend Betriebe und somit an vielen Punkten ein gute Versorgung mit lokalen, biologischen Produkten ohne Zwischenhändler.
An Motivation mangelt es den beiden jedenfalls nicht, zumal auch ihre Zuversicht groß ist, dass das Konzept weiter wachsen wird in Österreich und sich in den nächsten 50-100 Jahren vollkommen etablieren wird. „Als kleiner Betrieb muss man jedenfalls kreativ sein“, und daran, dass sie das sind, besteht kein Zweifel.
Gemüsefreude
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Magdalena Mayr und Jonathan Martin
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