Krokus Pokus
In der niederösterreichischen Wachau wird wieder Safran produziert. Bernhard Kaar baut – nach einer über 200 Jahre alten Anleitung – das edle Gewürz an der Donau an. Eine Zeitreise in die Gegenwart.
Safran betört. Safran verzaubert. Zum Beispiel Bienen. Immer wieder liest man von regelrechten Safranorgien unter den Immen, die berauscht von Duft und Nektar des Krokusgewächses flugunfähig werden und mehrere Stunden auf der Safran-Blüte verweilen. Manche sind am Ende gar so voll, dass sie gar nicht mehr in den Bienenstock zurückschwirren und unfähig zu weiteren Bewegungen im Blütenfeld übernachten und sich ausschlafen.
»Das ist eine schöne Geschichte, aber völliger Unsinn. Die Beobachtung ist zwar richtig, der Schluss aber, der daraus gezogen wird, ist falsch«, erklärt Bernhard Kaar. Der 43-Jährige, der in Wien und Graz Biologie, Ökologie und Botanik studiert hat, verschrieb sich mit Haut und Haar dem Safran und muss es wissen. Seit 2007 pflanzt er gemeinsam mit seiner Partnerin Alexandra Gschwandtner in der Nähe von Dürnstein und Spitz in der Wachau die edle Nutzpflanze an. „Safran blüht im Oktober. Da kann es schon recht frisch werden. Damit Bienen fliegen können, brauchen sie aber eine Mindesttemperatur von zehn Grad Celsius. Die ist oft nicht mehr gegeben, und sie kommen wahrscheinlich nicht mehr weg, weil es zu kalt geworden ist. Den ganz genauen Grund, warum man in der Früh ab und an Bienen in der Blüte findet, weiß ich nicht, Hangover ist es aber sicher keiner.“ Man muss übrigens lange suchen, um jemanden zu finden, der so detailliert und begeistert über »Die Königin der Pflanzen« parliert wie der gebürtige Linzer. Fragt man ihn etwa, was sonst noch so an Mythen zum Thema herumgeistern, sprudelt es aus ihm heraus: „Viele Menschen glauben, Safrankrokus stamme aus Asien, tatsächlich kommt er ursprünglich aus Griechenland. Er ist auch nicht, wie man meint, mit den Herbstzeitlosen verwandt, die zur gleichen Zeit blühen und ähnlich aussehen.“ Richtig leidenschaftlich räumt er aber mit dem »oft kolportierten und wiedergegebenen Irrtum auf«, dass er mit dem Safrananbau in Österreich jetzt begonnen hat, da eine Klimaverschiebung im Gange ist. Zwar verortet man das bittersüße Gewürz auf die Schnelle vor allem im orientalischen Raum und somit in deutlich wärmeren Gefilden. 200 Tonnen Safran jährlich produziert etwa der Iran und deckt damit 91 Prozent des Weltmarkts ab. Aber: »Safran wächst überall dort, wo auch Wein angebaut werden kann. Und – viel wichtiger – in die Region zwischen Krems und Melk und etwas nördlich davon wurde ab dem Mittelalter immer schon Safrankrokus angebaut“, beseitigt Kaar alle Ungenauigkeiten klimatische Bedingungen betreffend.
Goldgelber Lebenstraum
Bernhard Kaar hat Safran zu seiner Lebenspflanze gemacht. Er lebt für und von Krokus und will nun die Wachau, hauptsächlich bekannt für Wein und Marillen, zurück auf die Safran-Landkarte bringen. Das macht der Neo-Safranbauer, der an der Universität für Bodenkultur in Wien forschte und sein Know-how auch einige Zeit bei EU-Projekten beispielsweise in Nepal einbrachte, seit nunmehr drei Jahren auch hauptberuflich. Und zwar äußerst bedachtsam. Gut versteckt und abgeschirmt auf aufgelassenen Weinterrassen an der Donau sind seine Safranknollen gepflanzt, die im Herbst geerntet und zum weltweit einzigen Demeter-zertifizierten Safran verarbeitet werden. Nach einer uralten, in der Region üblichen Methode übrigens. Denn bei Recherchen in der Stiftsbibliothek Melk, stieß Kaar auf eine detaillierte Anbauleitung für Safran aus dem Jahr 1792. An diesen wertvollen Schrift-Schatz hält sich der Bio-Bauer. Zudem profitiert Kaar auch von den Erfahrungen des Schweizer Safrankenners Rene Hunziker, der sich Mitte der 90er Jahre im Burgenland niederließ und als Hobby eine Safranzucht betrieb. Er versprach dem Schweizer seine Kultur weiterzuführen und kaufte nach dessen Tod seiner Witwe 30.000 Krokusknollen ab. Das war der Grundstock für Kaars goldgelben Lebenstraum. Mittlerweile ist die Zucht auf 250.000 Knollen angewachsen. Die »Narben«, oder auch »Griffel«, also die drei charakteristischen, wertvollen Fäden der Blüte, werden im Herbst dann von Hand gezupft und getrocknet. Wie das genau vonstattengeht, ist Betriebsgeheimnis. Kein Geheimnis ist, dass »95 Prozent der Ernte weiterverarbeitet wird, um Produkte zu veredeln – das ist ökonomisch sinnvoller und zeigt die Vielfalt von Safran. Würden wir nur das Gewürz verkaufen, würden fast alle Kunden ausschließlich Risotto alla milanese“ damit machen“, sagt Bernhard Kaar, der sich den Namen Wachauer Safran in langwierigen behördlichen Spießrutenläufen rechtlich schützen hat lassen. Über sein kleines Ladengeschäft in Dürnstein, eine aufgelassene Bäckerei, vertreibt er seine Spezereien wie Safran-Honig, Safran-Bier, Safran-Essig oder Safran-Pralinen. Nicht unerfolgreich, denn vom Safrankrokus geht ein Zauber aus, der seit Jahrtausenden auch Menschen rauschlos zu betören vermag.
Einfach gel
Safran (Crocus sativus) ist das teuerste Gewürz der Welt. Ein Kilogramm des bitteren, herben Gewürzes, das Speisen einen goldgelben Farbstich verleiht, kostet zwischen 5.000 und 15.000 Euro. Um ein Kilogramm zu erhalten, müssen in Handarbeit von bis zu 200.000 Blüten die drei Stempelfäden gepflückt werden. Safran stammt aus Griechenland, im großen Stil als Gewürz, Heilmittel und Färbemittel für edle Kleider oder Glas wurde die Pflanze aber im Orient kultiviert. Über die Mauren, die im 8 Jh. die iberische Halbinsel eroberten bzw. die Kreuzritter im 11. Jh. gelangte die Knolle dann wieder nach Europa. Im Mittelalter avancierte die Wachau zu einem der wichtigsten Safrananbaugebiete Europas. Rund 4,4 Tonnen Safran wurden damals pro Jahr an der Donau produziert. Zum Vergleich: In Spanien – heute Europas wichtigster Safranproduzent – wird jährlich eine Tonne hergestellt. Wie wichtig Safran in der Küche war, legt auch das beliebte Kinderlied »Backe, backe Kuchen« nahe. Dort heißt es bekanntlich: »Safran macht den Kuchen gel (= mhd.: gelb). Ab Mitte des 19. Jh. verlor sich langsam die Safrantradition unter den Wachauer Bauern.
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