(κ) Einkaufen mit Hausverstand
Eine junge Frau mit wenig Geld aber viel LOHAS-Potenzial beim Einkaufen. Ein Supermarkt, ein Einkaufswagen, viele Entscheidungen…
Im Supermarkt meiner Wahl. Ich stehe vor dem Regal und überlege angestrengt, welche Schokoladentafel mir heute den Fernsehabend versüßen wird. Plötzlich wispert mir hinter meinem Rücken eine Stimme etwas ins Ohr:
„Ich bitte dich! Du überlegst doch nicht ernsthaft, dir diese sauteure EZA-Bio-Öko-Hippie-Schokolade zu kaufen?! Für so ein kleines Ding so viel ausgeben? Und außerdem, sooo gut schmeckt die doch gar nicht…“
– „Aber sie ist aus fair gehandelten Kakaobohnen hergestellt worden,“ entgegne ich der Flüsterstimme.
„Ha! Dass ich nicht lache! Nur weil auf der Verpackung ein winzig kleines Logo drauf ist? Bist du dir da wirklich ganz sicher?“
Ich überlege. „Naja, ich dachte schon. Ähm, naja, keine Kinderarbeit, faire Marktpreise, Sozialprämien, Umweltschutz und…“
– „Ach komm, was wissen die von dem Verein schon was auf dem Weltmarkt los ist! Die verdienen sich doch auch dumm und dämlich dabei. Handel bleibt Handel. Nur weil du dir so einen naiven Blödsinn einreden lässt, kostet dich diese Schoki doppelt so viel wie eine Schokolade ohne dieses blau-gelbe Zeichen! Schau, es gibt doch so viel andere billige Marken!“
Hat der Typ in meinem Ohr vielleicht recht? Teuer ist sie schon und außerdem habe ich schon zartere Süßigkeiten gegessen und die Werbung mit der Kuh hat mich eigentlich immer schon mehr angesprochen als dieses Bobo-Zeugs…
Genauso gelb…
Ich lasse den Flüsterer stehen und ziehe mit meinem Einkaufswagen weiter in die Obstabteilung.
„Waaas? Diese Bananen??? Hast du einen Blick auf den Kilopreis geworfen? Wahnsinnig überteuert wenn du mich fragst.“
– „Ich hab dich aber nicht um deine Meinung gebeten!“ entgegne ich leicht gereizt. Wieder steht der Hausverstand hinter mir und grinst mir in den Nacken. Fängt an zu lachen. Lacht mich aus. Ich lege die Bio-Bananen zurück in die Kiste.
„Nicht schlecht. Du musst ordentlich was auf dem Konto haben, wenn du dir diese Bananen leisten kannst. Sonst jammerst du immer und sagst du solltest sparen… Mir wärs ja wirklich schade um das schöne Geld.“
Langsam aber sicher verliere ich die Geduld. Dieser Besserwisser geht mir gehörig auf die Nerven. „Und was soll ich deiner Meinung nach machen, du Schlaumeier?!“
Der Hausverstand legt den Kopf schief, zieht eine Schnute, tätschelt mir die Wange und sagt: „Sei einfach ein bisschen..naja, CLEVER!“
– „Aber das ist nicht FAIR!“
– „Aber billig! Unglaublich billig sogar! Komm schon, weiß doch jeder, dass die wirklich cleveren Produkte sowieso von namhaften Herstellern gemacht werden. Die wollen eben unerkannt bleiben. No Name, spottbillig – glaub mir, das ist die Zukunft! Billige, leistbare Eigenmarken, das ist was die Kunden wollen und bei uns kriegen, du willst es doch auch, gibs zu!“
Ich überlege kurz. „Naja, aber die Qualität…“
– „Papperlapapp, Qualität! Quality First kann ich dir garantieren. Du interessierst dich doch nicht allen Ernstes für diesen faden Bio-Schund? Auch wenns eine Eigenmarke von uns ist, aber das ist doch alles nur ein riesiger PR-Gag, damit wir Ökos wie dich ins Geschäft locken damit sie sich ein gutes Gewissen kaufen können. Nachhaltigkeit, ressourcenschonend und so ein Schrott klingen für die Werbung eben ganz nett.“
Ich bin baff. Wieder setzt der Typ ein breites Grinsen auf, klopft mir freundschaftlich auf die Schulter und zwinkert siegessicher. „Wie gesagt, zwei Kilo Bananen, genauso gelb, genauso krumm, genauso gut, oder ein Kilo überteuerter Bananen mit dem werbewirksamen Gütesiegel? Es ist dein Geld, deine Entscheidung. Aber sei ehrlich, ist es dir wirklich so wichtig wie das Zeug hier zu uns gekommen ist? Kann dir doch egal sein wer das Obst gepflückt hat und wie viel die Plantage dafür bekommen hat, der Preis wird schließlich bei uns gemacht und der ist doch für die Geldtasche ganz angenehm oder? Lass doch die Gutmenschen mehr zahlen, wenn sie’s unbedingt wollen…“
– „Fair….Verzieh dich!“, rufe ich noch, während ich mich schon umdrehe, an der Kassa vorbeieile und den Supermarkt verlasse. Einmal noch drehe ich mich um, sehe wie der Hausverstand mir zuwinkt, sich dann aber der nächsten Kundin zuwendet, ihr ins Ohr flüstert und sich dabei siegessicher die Hände reibt.
Biorama-Autorin Karin Pointner schmeißt sich auf biorama.at in den Wahnsinn tagtäglicher Konsumentscheidungen.