„Wir haben es satt“ – Mit Traktoren zum Protest
Sie wünschen sich ökologischere Landwirtschaft und weniger Einfluss der großen Agrarkonzerne – das Bündnis „Wir haben es satt“ rief letzten Samstag in Berlin zum Protest auf.
Mit viel Rückendeckung und vielen Forderungen ging das Bündnis „Wir haben es satt“ am Samstag, 17.1.2015, in Berlin auf die Straße. Parallel zum Protest fand und findet die Grüne Woche Berlin statt, auf der zahlreiche internationale – auch industrielle – Landwirte ausstellen. BIORAMA hat mit der Pressesprecherin des Bündnisses „Wir haben es satt“ Iris Kiefer telefoniert.
BIORAMA: Über die Demonstration letzten Samstag liest man von 20.000 bis 50.000 Demonstranten. Ist das ein Erfolg für das Bündnis?
Iris Kiefer: Ja, das war ein riesiger Erfolg, wir sind überwältigt. Letztes Jahr waren es schon 30.000 Menschen und heuer deutlich mehr. Wir glauben, dass das Thema in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist. Viele Menschen sind sehr besorgt wegen des Freihandelsabkommens mit den USA (TTIP). Das hat sicherlich auch dazu geführt, dass noch sehr viel mehr Menschen teilnahmen als in den letzten Jahren.
Ihr fordert unter anderem fairen und freien Handel, den freien Zugang zu Land oder die faire Verteilung von Nahrung weltweit. Wie geht ihr auf die Politik zu?
Wir versuchen immer wieder in den Dialog zu treten und zu Gesprächen einzuladen, da gab es aber bisher leider noch keine Reaktionen. Die Politik reagiert noch nicht in dem Maße auf unsere Forderungen wie wir es gerne hätten. Der Bundesagrarminister Schmidt in Deutschland betont immer wieder, dass das Freihandelsabkommen eine gute Sache wäre. Das denken wir nicht, und daher werden wir mit unserer Arbeit so weiter machen.
Wo seht ihr die Landwirtschaft in 20 Jahren?
Unser Idealbild wäre natürlich, dass wieder bäuerliche Betriebe die Lebensmittel erzeugen. Wir wünschen uns, dass die Industriekonzerne, die sich zusehends im Lebensmittelsektor breit machen, wieder zurückgedrängt werden.
Einwände zur Demonstration kommen vor allem von den konventionellen Landwirten, die eine Gegendemo veranstalteten – „Wir machen EUCH satt“. Die Landwirte heben die Errungenschaften der industriellen Landwirtschaft hervor, etwa die Produktion von „leistbaren“ Lebensmitteln für Konsumenten. Wird man sich Nahrung aus ausschließlich ökologischer Landwirtschaft leisten können?
Wir fordern gar nicht ausschließlich ökologische Landwirtschaft. Wir fordern eine Ökologisierung hin zu ökologischeren Standards. Das betrifft auch konventionelle Bauern, die Trennung zwischen konventionellen und Biobauern wollen wir nicht. Wir sehen Handlungsbedarf bei der Industrie. Die vier größten international agierenden Fleischkonzerne Deutschlands haben sich hinter die Gegendemo „Wir machen EUCH satt“ gestellt. Das waren „vion“, „Tönnies“, „Westfleisch“ und „Danish Crown“, das sind auch diejenigen, die unserer Meinung nach die bäuerlichen Betriebe kaputtmachen. Wir kritisieren die industrialisierte Landwirtschaft, dabei sprechen wir uns natürlich nicht gegen die moderne Landwirtschaft aus. Wir wünschen uns keine Landwirtschaft des vorletzten Jahrhunderts, wie immer wieder gesagt wird. Wir sind für eine moderne Landwirtschaft, jedoch für eine Landwirtschaft in der ein Bauer selbst bestimmen kann, wie er produziert und von der er auch leben kann. Wie soll ein Fleisch produzierender Bauer davon leben, wenn 1,30 € pro Kilogramm Fleisch bezahlt werden? Deswegen setzen wir uns auch für faire Marktbedingungen für Bauern ein. Uns ist wichtig, dass es um die bäuerlichen Betriebe geht und nicht um die großen Industrien, die immer weiter mit den Preisen runtergehen und den Bauern die Preise diktieren.
Ist am Schluss der Konsument gefragt?
Natürlich. Studien von der Universität Göttingen belegen, dass die Menschen auch dafür bereit wären, mehr Geld zu zahlen, etwa für Fleisch, wenn es artgerecht produziert wird. Es sind vielleicht noch nicht alle bereit, aber es gibt ein Umdenken und auch Projekte wie etwa solidarische Landwirtschaft, wo sich Bauern und Konsumenten zusammentun und die Verbraucher durch Direktvermarktung wieder ganz nah an der Erzeugung dran sind. Gerade auch bei jungen Leuten sieht man eine starke Veränderung.
Welche Wünsche habt ihr an Konsumenten?
Wir wünschen uns natürlich von den Konsumenten, dass sie bewusst einkaufen. Einkaufen ist eine politische Handlung: Ich entscheide jeden Tag an der Ladentheke, was ich einkaufe und wen ich damit unterstütze. Kaufe ich von den großen Industriekonzernen oder kaufe ich Essen, das regional erzeugt wird? Das kann ich jeden Tag entscheiden.
Parallel zur Demo fand und findet gerade noch die Grüne Woche statt. Welche Rolle spielte die Grüne Woche bei der Datumswahl?
Auf der Grünen Woche als Messe wird natürlich auch ein Bild von der Landwirtschaft transportiert, das wir nicht für realistisch halten. Aber vom Datum her war für uns vor allem der Internationale Agrarministergipfel entscheidend am ersten Wochenende der Messe. Beim Global Forum for Food and Agriculture, GFFA, treffen sich die Landwirtschaftsminister der ganzen Welt, das sind immer so zwischen 70 und 100 Landwirtschaftsminister, die die Weichen für die Zukunft der Landwirtschaft stellen.
Welche Botschaft hattet ihr an die Minister? Habt ihr einen Forderungskatalog übergeben?
Wir forderten ganz klar die Abkehr von der weiteren Industrialisierung. Außerdem haben wir an das Bundeslandwirtschaftsministerium die Forderungen der Demo 2014 überreicht. Letztes Jahr konnten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer auf Schildern ihre ganz persönlichen Wünsche für eine bäuerliche Zukunft der Landwirtschaft drauf schreiben, das ganze haben wir in ein großes Buch gebunden und den Ministern überreicht.
Welche Reaktionen habt ihr darauf bekommen?
Clemens Neumann, der Ministerialdirektor, hat das entgegengenommen und signalisiert, dass sie das ernst nehmen, aber wir hoffen natürlich auch, dass daraufhin Gespräche erfolgen und die Regierung mit uns in Dialog tritt.
Vielen Dank für das Gespräch und alles Gute noch für euch!