Aus der Tonne in die Pfanne

(c) wastecooking.com

„Food is culture … don’t waste it – cook it!“ – nach diesem Motto haben es sich David, Tobias und Daniel zur Aufgabe gemacht, aus weggeworfenen Lebensmitteln köstliche Speisen zu zaubern.

 

Stephanie Fischer: Wer steckt hinter dem „Trio infernale“ von wastecooking und wie ist die Idee zu den gemeinsamen Aktionen entstanden?
David: Die Idee kam zirka vor einem halben Jahr: Ich habe eine Reportage über Waste Diver in New York gesehen und wollte es daraufhin in meiner Heimatstadt Salzburg probieren. Anfangs traute ich mich nicht, dann hab ich jemanden kennengelernt, der das regelmäßig macht und gemeinsam sind wir dann Mülltauchen gegangen. Ich konnte mir davor nicht vorstellen, dass man so viel frische Lebensmittel im Müll findet. Danach kam die Idee zur Kochshow: Kochen hat mich immer schon interessiert. Mein Wastecooking-Kollege Tobi ist auch Koch und wir haben uns über die üblichen TV-Kochsendungen geärgert, weil sie so unreflektiert und nicht nachhaltig sind. Somit wurde die Idee der kritischen Kochshow mit Lebensmitteln aus dem Müll geboren, um zu zeigen, was man aus Abfall alles machen kann. Schließlich ist Kochen auch politisch – es sagt sehr viel über uns aus, was und wie wir essen. Daniel, der dritte im Bunde, ist unser Fotograf.

Personen, die nicht mit Waste Diven vertraut sind, denken sich, die Lebensmitteln seien verdorben und ein Risiko für die Gesundheit. Ihr werdet wahrscheinlich oft mit der Frage konfrontiert, wie könnt ihr die Sorge entkräften?
Auf das Mindesthaltbarkeitsdatum kann man sich nicht verlassen, und viele Lebensmittel sind gar nicht abgelaufen; Tobias hat mal ein Joghurt gegessen, das vor 35 Tagen abgelaufen ist und es war noch gut. Wenn eine neue Lieferung kommt, verschwindet alles, was gerade noch im Regal stand, in die Tonne – eine halbe Stunde vorher hätte man die Produkte noch „frisch“ gekauft. Man sollte einfach seiner Nase vertrauen; man riecht, ob das Obst bzw. Gemüse noch genießbar ist und dass man es wäscht, versteht sich von selbst.

In der Episode 3 finden 30 MülltaucherInnen in einer Bio-Supermarkt Mülltonne 90 kg frische Lebensmittel. Eine schockierende Zahl. Warum denkst du, werden so viele frische Lebensmittel weggeschmissen?
Wir leben in einem System der Verschwendung. Supermärkte sind hier ein Teil der Verschwendungsmaschinerie, aber auch nur ein kleines Rädchen im System. Es geht überall viel Essen verloren: bei der Produktion, auf den Transportwegen, in Zwischenlagern, etc. Von der Produktion bis zum Verkauf geht 1/3 bis 1/2 aller Lebensmittel verloren. In Europa sind das 90 Millionen Tonnen pro Jahr. Alleine wenn man seinen eigenen Verbrauch ansieht: Genau die Hälfte dessen, was wir essen, wandert in den Müll! Diese Maßlosigkeit betrifft uns alle. Ein ungeschriebener Ehrenkodex von Mülltauchern ist übrigens, dass man nur soviel mitnimmt, wie man auch braucht. Es macht schließlich keinen Sinn, das bereits Weggeworfene noch einmal wegzuwerfen!

Waste Diving, Containern, Dumpstern – ein Trend der über die Grenzen hinausgeht. Aber in vielen Ländern ist das Mülltauchen illegal. In Österreich ist Müll herrenloses Eigentum, welches allerdings am Grund der Supermärkte zu holen ist – was wiederum gesetzwidrig ist. Bewegt ihr euch im gesetzlichen Graubereich?
Wir sind uns bewusst, dass wir uns im Graubereich bewegen und uns rechtlich nie zu 100 Prozent absichern können. Im Vergleich zu dem, was wir tun, ist aber die Verschwendung das eigentliche Verbrechen. Es gab noch keine Probleme mit der Exekutive, die Supermärkte hüten sich davor, einzelne Waste Diver anzuzeigen, da sie wissen, dass ihr Image mehr darunter leiden würde. Dazu ist ein weiterer ungeschriebener Ehrenkodex, dass man auf keinen Fall Schlösser aufbricht und den Müllraum so hinterlässt wie man ihn vorgefunden hat.

Nachdem ihr die Zutaten besorgt habt – wo finden die Kochsessions statt? Wo kann man euer Essen genießen?
Es gibt Aktionen auf öffentlichen Plätzen, dann gibt es Wastecooking Clubs, wo man sich im Internet anmelden kann und auch gemeinsam dumpstern geht. Bis jetzt gab es vier Aktionen – am Alten Markt in Salzburg, dann am Frequency Festival, einen Secret Wastecooking Club und einmal einen Trash Talk, eine Mischung aus Kochsendung und Talk. Wir wollen unterschiedlichste Menschen gewinnen, deshalb kochen wir in der Öffentlichkeit und laden auch ExpertInnen dazu ein. Was wir machen ist nicht die Lösung, sondern wir versuchen mit dem Schlamassel umzugehen. Die Welt wird deshalb nicht besser, es kann aber ein Anfang sein, um weiterzudenken und auch um sich politisch zu engagieren. Vielleicht tut sich in Zukunft auch was auf gesetzlicher Ebene.

Die Bewegung der Waste Divers gibt es ja schon, doch sie ist nicht wirklich vernetzt bzw. öffentlich bekannt. Können sich Interessierte euch anschließen?
Wir sind über jeden Support froh und auch über das Interesse freuen wir uns. Unser Ziel ist nicht, alle Menschen zu Mülltaucher zu machen, sondern den Protest in den Vordergrund zu stellen. Je mehr Menschen es machen, desto schwieriger wird es für die Supermärkte sich zu legitimieren. 
Die Leute, die mit uns Dumpstern gegangen sind, konnten auch nicht glauben, was man alles im Müll findet, und gehen jetzt bewusster mit den Lebensmitteln um! Wir finden es richtig, wenn es so passiert wie gerade in Salzburg: Wastecooking war der Anstoß und ca. 50 Waste Divers organisieren sich nun selbst.

Wenn es nichts mehr in den Mülltonnen zu holen gibt, habt ihr gewonnen? Oder wenn eine breite Bewegung der Waste Divers entsteht?
Ersteres! Wastecookers machen das alles nicht aus einer Not heraus, im Gegensatz zu Menschen, die darauf angewiesen sind. Bei denen geht’s ums Überleben. Uns ist wichtig, dass wir keinen neuen Lifestyle kreieren – das wäre eine Niederlage. Es ist ein trauriges Bild für unsere Wohlstandsgesellschaft, dass viele darauf angewiesen sind, was sie in der Tonne finden.
 Es geht auch nicht darum, dass wir Geld sparen – wir wollen auf die Verschwendung aufmerksam machen und dazu beitragen, dass sich etwas ändert. Wir sehen Mülltauchen als Form des öffentlichen Protests gegen die Verschwendung.

www.wastecooking.com

Stephanie Fischer bloggt über Nachhaltigkeitsthemen auf www.reduse.org/blog, wo auch dieses Interview erstveröffentlicht wurde.

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