Was wird aus unserer Landwirtschaft?

Bild: Flickr, Lutz Koch, CC BY-NC-ND 2.0

Bild: Flickr, Lutz Koch, CC BY-NC-ND 2.0

Für die Jubiläumsausgabe von Biorama haben wir in die Zukunft der Landwirtschaft geblickt – oder besser: blicken lassen. Mit ausgewiesenen Fachleuten haben wir darüber gesprochen, wie sich der Agrarsektor in den kommenden Jahren entwickelt wird.

Darunter sind Vertreter der Bio-Landwirtschaft. Nachgefragt haben wir allerdings auch beim Deutschen Bauernverband in Berlin. Dabei haben wir interessante Antworten erhalten. Gerhard Zoubek, Unternehmer und Betreiber des Biohofs Adamah vor den Toren Wiens glaubt an eine Zukunft mit enger Bindung zwischen Landwirtschaft und Konsumenten. Gerti Grabmann, Obfrau von Bio Austria glaubt an ein Weiterbestehen der Ablehnung grüner Gentechnik. Der Vorsitzende des Bundes Ökologische Lebensmittelwirtschaft, Felix zu Löwenstein, mahnt, Konflikte um fruchtbares Land würden sich verschärfen. Die Verbraucher gleichermaßen als Gewinner und Verlierer des Strukturwandels sieht Peter Pascher, Geschäftsführer des Fachausschusses für Agrarstruktur- und Regionalpolitik beim Deutschen Bauernverband. Alexander Gerber, Vorstand von Demeter, glaubt nicht an eine vegane Zukunft.

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Gerhard Zoubek, Adamah Biohof

Werden sich bis 2025 Großproduzenten auch im Biosektor breit gemacht haben?

Nein, die Großkonzerne und Agrarmultis werden sich gewiss nicht durchsetzen. Dinosaurier trampeln zwar vieles nieder, aber letztlich bleiben sie selbst liegen.

In zehn Jahren werden noch viel mehr Menschen regionale Bio-Lebensmittel zu einem fairen Preis einkaufen. Der anonyme Warenaustausch in den heutigen Supermärkten wird mehr und mehr einer persönlichen, fairen Begegnung zwischen Bio-Produzenten und Konsumenten weichen.

Welches Bild werden Kinder, die 2025 in die Schule kommen, vom Bauern haben?

»Man lernt nicht für die Schule, sondern fürs Leben.« Und die Bio-Landwirtschaft spiegelt die vielen spannenden Zusammenhänge des Lebens wider. Wer die Landwirtschaft versteht, versteht auch das Leben besser. So gesehen wird sich die Wichtigkeit einiger heutiger Schulfächer relativieren und in Zukunft die Landwirtschaft und Ernährung einen höheren Stellenwert im Schulsystem einnehmen.

Auf welche Abnehmer wird die Landwirtschaft in zehn Jahren treffen? 

Die Kunden werden nicht mehr zwischen anonymen Massenregalen herumirren, sondern aktiv an der Landwirtschaft teilhaben. Sie werden vom Feld bis zum direkten Vertrieb aktive Mitgestalter und faire Partner sein. Kurz: Die klassische Mauer zwischen Produzenten und Konsumenten wird endlich verschwinden.

 


 

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Gerti Grabmann, Bio Austria

Wird im Jahr 2025 unter »Bio« noch das Gleiche zu verstehen sein wie heute?

Die biologische Landwirtschaft hat sich in den letzten Jahrzehnten stetig weiterentwickelt und wird auch in Zukunft durch Innovation einer ständigen Transformation unterliegen. Insofern werden wir es in zehn Jahren mit einem anderen Bio zu tun haben – quasi mit einer neueren, aktuelleren Version. Die Grundsätze der ökologischen Landwirtschaft aber sind im Kern zeitlos.

Sind biologischer Landbau und Gentechnik auf alle Zeiten unvereinbar?

Die ablehnende Haltung der Biolandwirtschaft gegenüber der grünen Gentechnik ist ja nicht dogmatisch, sondern darin begründet, dass sie nicht mit unseren Prinzipien und unserer Vision einer zukunftsfähigen Landwirtschaft vereinbar ist. Und die Erfahrungen mit dem Anbau von Gentech-Pflanzen in den letzten 15 Jahren bestätigen unsere schlimmsten Befürchtungen: Die bislang am Markt befindlichen Gentech-Pflanzen schaffen keine neuen Lösungen, sondern bringen neue Probleme und Abhängigkeiten mit sich und beschleunigen damit in erster Linie die Industrialisierung der Landwirtschaft.

Was muss Bio von konventioneller Landwirtschaft lernen (und umgekehrt)?

Jeder Bauer hat seine Gründe, warum er diese oder jene Bewirtschaftungsform betreibt. Fest steht aber, dass wir uns gut überlegen sollten, welche Art von Landwirtschaft die globalen Herausforderungen der Gegenwart und Zukunft am besten meistern kann. Naturgemäß bin ich der Meinung, dass Bio-Landwirtschaft die notwendigen Voraussetzungen dafür mitbringt. Das zeigt sich etwa im Umgang mit natürlichen Ressourcen, im Erhalt bzw. der Steigerung der natürlichen Bodenfruchtbarkeit oder in den Bereichen des vorbeugenden Pflanzenschutzes, der Tiergesundheit oder der Unkrautregulierung. Dort und in vielen anderen Bereichen hat der biologische Landbau zukunftsfähige Lösungen, die mit den großen globalen Herausforderungen kompatibel sind.

 


 

Löwenstein BÖLW

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Felix zu Löwenstein, BÖLW

Bis 2025 soll die Weltbevölkerung auf rund 8,0 Mrd. Menschen anwachsen. Wie muss die Landwirtschaft aussehen, um so viele Menschen satt zu machen?

Sie muss endliche Ressourcen so nutzen, dass sie auch hunderte Jahre später noch zur Verfügung stehen und nicht in einem Strohfeuer für die Ernährung der 8 Milliarden verbrannt werden. Das wird nur mit einer ökologischen Landwirtschaft möglich sein.

Wie werden sich Anbauflächen durch den Klimawandel verlagern? 

Naheliegender Weise wird die globale Erwärmung zuerst dort Landwirtschaft unmöglich machen, wo es am wärmsten ist. Dort leben die Menschen, die am wenigsten zur Treibhausgas-Produktion beigetragen haben. Bei uns wird Landwirtschaft möglicherweise noch ertragreicher. Wir sollten uns dann über Massen von »Wirtschaftsflüchtlingen« nicht wundern, die alles, was wir im Moment erleben, als Kinderspiel erscheinen lassen.

Welche Rolle kommt künftig Alten Sorten und alten Nutztierrassen zu? 

Eine Landwirtschaft, die auf Monokulturen und immer weniger Nutztierrassen setzt, ist äußerst verwundbar, weil wenig stabil. Ich hoffe, dass wir das verstehen, ehe das genetische Potenzial unwiderrufbar verschwunden ist.

Werden wir 2025 bereits kriegerische Auseinandersetzungen um fruchtbares Land erleben?

Wir haben sie doch längst. Denn wie anders denn als Krieg gegen die Armen kann man das Landgrabbing bezeichnen, das sich Millionen von Hektaren unter den Nagel reißt, um Treibstoff, Tierfutter und Luxusprodukte für den reichen Norden, arabische Staaten und boomende Volkswirtschaften in Südostasien zu produzieren!

 


 

 

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Peter Pascher, DBV

Was sind die großen Entwicklungen auf dem Agrarsektor, die sich bis 2025 abzeichnen?

Vor allem züchterische Fortschritte und moderne Technik bringen in Feld und Stall hohe Effizienzsteigerungen und sorgen gleichzeitig dafür, dass Arbeit durch Kapital ersetzt wird und die Betriebe immer größer werden. In den nächsten Jahren wird der technische Fortschritt besonders stark von der Digitalisierung der Landwirtschaft angetrieben. Hauptursache ist die rasant wachsende Verbreitung von Smartphones, Tablets und Apps in der Landwirtschaft, die in Verbindung mit intelligenter sensor- und satellitengestützter Landtechnik ganz neue Möglichkeiten eröffnen. Bis 2025 dürften wir in Lage sein, den Nährstoffbedarf jeder einzelnen Pflanze exakt zu bedienen und das Wohl der Tiere noch besser zu fördern.

Wird im Jahr 2025 ein TTIP-Verfahren mit den USA in Kraft sein?

Wenn die Vernunft auf beiden Seiten des Atlantiks siegt, wird das angestrebte Handelsabkommen zwischen der EU und den USA schon binnen der nächsten drei Jahre Wirkung entfalten können. Das könnte vor allem den Handel mit Agrarprodukten und Nahrungsmitteln beflügeln, der zwischen der EU und den USA bislang nur eine relativ geringe Rolle spielt. Die Europäische Union hat ihre Stärken im Export vor allem bei hochwertigen, verarbeiteten landwirtschaftlichen Produkten. Die Landwirte in der EU könnten davon profitieren.

Wer werden die Gewinner des Strukturwandels in der Landwirtschaft sein, und wer seine Verlierer?

Die Gewinner des Strukturwandels sind die Verbraucher. Sie profitieren von qualitativ hochwertigen Nahrungsmitteln zu günstigen Preisen. Die Verbraucher sind aber auch Verlierer. Denn durch den landwirtschaftlichen Strukturwandel verlieren viele ländliche Räume ein Stück an Vitalität in den Dörfern. Der Strukturwandel in der Landwirtschaft erfolgt weitgehend sozial verträglich. Die aufgebenden Betriebe müssen deshalb nicht unbedingt die Verlierer sein, wenn attraktive Arbeitsplätze außerhalb der Landwirtschaft gefunden und die Flächen an zukunftsfähige Wachstumsbetriebe verpachtet werden.


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Alexander Gerber, Vorstand bei Demeter Deutschland (>)

Demeter ist vielleicht die bewussteste Form der nachhaltigen Landwirtschaft. Droht sie im Agrarbusiness unter die Traktorräder zu kommen?

Nein, ganz im Gegenteil. Denn als biodynamische Demeter-Markengemeinschaft haben wirklich mächtige Verbündete: die Verbraucher. Sie suchen Qualität und fragen mehr und mehr Demeter-Lebensmittel nach. Demeter ist das Ferment im (Öko-)Teig für die Landwirtschaft der Zukunft, denn viele Innovationen in der ökologischen Landwirtschaft kommen aus dem Biodynamischen.

Kann Landwirtschaft vegan sein?

Sie kann – aber sie sollte nicht vegan sein. Für Demeter ist die Tierhaltung auf den Bauernhöfen charakteristisch. Dafür gibt es viele gute Gründe – und im Verband auch einen intensiven Gedankenaustausch und wichtige Weichenstellungen für eine immer bessere Tierhaltung von der Züchtung bis zum Schlachten. Warum halten wir Tiere? Die Antwort lässt sich auf einen Nenner bringen: Weil die Kuh wirkt – fruchtbar für den Boden, prägend für den Hof, seelisch für den Menschen.

Inwiefern wird sich Demeter 2025 von Demeter 2015 unterscheiden?

Es ist spannend, einen Blick in die Zukunft zu werfen: Wir werden einerseits tendenziell größere Betriebe haben und andererseits viele kleinere, die sehr arbeitsintensiv mit höchsten Umsätzen sehr produktiv arbeiten. Die Betriebe werden wieder vielfältiger werden.

In der gedruckten Version dieses Artikels in BIORAMA #39 ist uns leider ein Fehler bei der Bildunterschrift unterlaufen. Dort wird Dr. Alexander Gerber fälschlich als Andrée Herrnkopf bezeichnet. André Herrnkopf ist eine uns selbst nicht weiter erklärliche Neuschöpfung. Für die Verwirrung bitten wir um Entschuldigung. 


Alternativen zur Lebensmittel-Versorgung aus dem herkömmlichen Einzelhandel bieten zum Beispiel Food-Coops oder andere Initiativen der Solidarischen Landwirtschaft. Wie solche Modelle funktionierten, erfährt man hier.

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