Solidarische Landwirtschaft und Food-Coops: Alternativen zum Supermarkt
Solidarische Landwirtschaft und Food-Coops: Was steckt hinter diesen alternativen Formen der Lebensmittelversorgung? Gibt es Unterschiede? Und: Wie kann man mitmachen?
Direkter Kontakt zu Produzenten, selbstbestimmte Lebensmittelversorgung, sowie ein regionales, saisonales und meist biologisches Angebot. Das sind die Eckpfeiler von solidarischen Landwirtschaften und Food-Coops. Im deutschsprachigen Raum sind diese Konzepte seit einigen Jahren im Kommen. Eine offensive Antwort auf marktwirtschaftlichen Druck und industrialisierte Landwirtschaft. Laut Bio Austria gibt es mittlerweile circa 80 Food-Coops und 25 solidarische Landwirtschaften in Österreich. Was steckt dahinter? Wo liegen die Unterschiede? Und wie kann man mitmachen?
Wie funktioniert eine solidarische Landwirtschaft?
Das Besondere an solidarischen Landwirtschaften (Community Supported Agriculture, CSA) ist die Erntevereinbarung: Es wird genau das produziert, was zu Beginn des Wirtschaftsjahres mit den Abnehmern vereinbart wurde. Welches Obst und Gemüse wird in welcher Menge angebaut? Welche Kosten fallen dafür an? Und auf wie viele Kunden werden diese Kosten aufgeteilt? So entsteht eine besonders direkte Beziehung zwischen Produzent und Konsument, dem sogenannten Ernteteiler. Zwischenhändler gibt es keine.
Durch die Erntevereinbarung hat der Produzent ein gesichertes Einkommen, und gute Planbarkeit. Der Ernteteiler trägt allerdings auch ein gewisses Risiko: Denn je nach Witterung kann die Ernte von Saison zu Saison unterschiedlich ausfallen – besonders gut, aber auch besonders schlecht. „Das Produkt verliert somit den Preis, aber gewinnt an Wert. Dadurch schätzt der Konsument das Produkt wieder“, so Marlene Wolfsteiner von Bio Austria.
Die Motivation der Konsumenten sei eine bewusste Ernährung und das Wissen, wo die Produkte herkommen und wer sie erzeugt hat. Aber auch der Erhalt der biologischen Landwirtschaft in der Region ist vielen Kunden ein großes Anliegen.
Solidarisches Biogemüse aus dem Kamptal
Ein Beispiel für solidarische Landwirtschaft ist die Biogemüse CSA Kamptal in Niederösterreich. Seit 2010 versorgt Markus Hohenecker die Region mit frischem Gemüse. Anfangs in Form von „Gemüsekistln“, 2014 erfolgte dann die Umstellung auf Community Supported Agriculture. Man will die Kunden das ganze Jahr über mit Gemüse versorgen und von dieser Passion leben können. Es sei ein ambitioniertes Ziel, über einen Zuwachs an Kunden würde man sich freuen.
Zu Beginn jedes Wirtschaftsjahres – bei der Biogemüse CSA Kamptal ist das der 1. Mai – gibt’s ein Treffen mit interessierten Ernteteilern. Man lernt sich kennen, bespricht Produktionskosten und vereinbart den monatlichen Preis für das kommende Jahr – Transparenz ist das oberste Gebot. Natürlich kann man auch zu einem späteren Zeitpunkt Ernteteiler werden. Wer die Erntevereinbarung unterschreibt, wird bis zum Ende des laufenden Wirtschaftsjahres mit dem wöchentlichen „Gemüsekistl“ versorgt. Bezahlt wird dann monatlich, halbjährlich oder jährlich.
Neben Abholstellen in Plank am Kamp und Krems hat die Biogemüse CSA Kamptal auch Wien im Angebot. So gibt’s jeden Freitag frisches Gemüse aus dem Waldviertel im Crossfit Vienna Dungeon in der Josefstädter Straße abzuholen.
Wo liegt der Unterschied zu Food-Coops?
Im Unterschied zu solidarischen Landwirtschaften handelt es sich bei Food-Coops um Einkaufsgemeinschaften von Privatpersonen oder Haushalten. Gemeinsam wird bei mehreren Landwirten einkauft – und anschließend selbstorganisiert verteilt. Das Element der Erntevereinbarung gibt es hier im Gegensatz zu solidarischen Landwirtschaften aber nicht. Für die Landwirte sind Food-Coops meist einer von mehreren Vertriebswegen.
Viele Food-Coops organisieren sich als gemeinnützige Vereine. Dieses Vorgehen dürfte der Wirtschaftskammer Österreich offenbar ein Dorn im Auge sein. Man vermutet gewerbliche Absichten und fordert daher einen Gewerbeschein. Dieser erst kürzlich aufgekeimte Konflikt zwischen WKO und Food-Coops wurde von BIORAMA bereits hier und hier thematisiert. Laut Marlene Wolfsteiner von Bio Austria bestehe ein reger Austausch mit der WKO. Man sei auf der Suche nach Lösungen und bemüht darum, klare Verhältnisse zu schaffen.
Food-Coop: Das Hofdepot in Sierning
Die Food-Coop Hofdepot in Oberösterreich wurde im Frühling 2014 von Hans Staudinger, Barbara Ambrosz und 10 weiteren Mitgliedern gegründet.Der Verein hat das Ziel, Ernährung wieder regional und bewusst zu gestalten. Man will wissen, wo die Lebensmittel herkommen und setzt sich kritisch und reflektiert mit deren Vertrieb auseinander. Zu Beginn war es vor allem ein Wiederbelebungsversuch der Nahversorger in der Gemeinde. „Es ist uns aber auch um’s Gemüse gegangen,“ so Hans Staudinger. Abgesehen von Bauernmärkten sei es in Österreich wirklich schwer, frisches Biogemüse im Supermarkt zu bekommen.
Das Hofdepot versorgt aktuell circa 30 Bestellgemeinschaften und agiert dabei als unterstützendes Netzwerk. Wissensaustausch, bewussterer Umgang mit Ernährung und Förderung der biologischen Landwirtschaft stehen dabei im Vordergrund. „Für mich als Landwirt ist es ein irrsinniger Wissensaustausch in einer Food-Coop zu sein. Was ist gefragt? Wie machen das andere?“ Für Hans Staudinger sind Food-Coops viel mehr als Bestellgemeinschaften. Es sind neue wirtschaftliche und gesellschaftliche Prozesse die hier entstehen: „Wirklich spannend ist, wie sich Menschen in einer Food-Coop verändern!“
Wie kann ich mitmachen?
Das Forum für Ernährungssouverenität nyéléni Austria beschäftigt sich intensiv mit regionalen Lebensmittelnetzwerken. Neben einer Übersicht über CSA-Betriebe werden hier auch Mailinglisten und Kontaktadressen für die verschiedenen Regionen des Landes angeboten.
Eine Auflistung existierender Food-Coops in Österreich bietet die Website foodcoops.at: Immerhin 41 sind hier eingetragen (Stand: 30. Juni 2016). Und natürlich nicht zu vergessen: Rausgehen, mit Menschen reden und sein lokales Netzwerk nutzen.
Wer selbst aktiv werden will, dem sei die Bio Austria-Initiative Appetit auf Zukunft ans Herz gelegt. Hier werden Beratungsangebote, Infoabende und Workshops im Kontext „solidarische Landwirtschaft“ und „Food-Coops“ angeboten. Man unterstützt sowohl bei Neugründungen als auch bei der Weiterentwicklung bestehender Initiativen.
Schon an anderen Stellen haben wir uns bei Biorama mit Food-Coops, solidarischer Landwirtschaft und Lebensmittelversorgung beschäftigt:
- Fällt der WKO nix mehr ein, kommt sie mit dem Gewerbeschein (26. April 2016)
- FoodCoops versus Wirtschaftskammer (26. April 2016)
- Was wird aus unserer Landwirtschaft? (26. November 2015)
- Wir haben es satt, mit Traktoren zum Protest (21. Jänner 2015)
- Regional einkaufen: Zwischen Einkaufswagerl und Ernteanteil (21. Oktober 2014)
- Viele Wege führen zu Bio (9. April 2014)
- Auf ihr Säcke – ab in die Food-Coop (20. Mai 2014)
Wer noch mehr zu Ernährungspolitik und solidarischer Landschaft erfahren möchte, dem empfehlen wir „Gemeinsam auf dem Acker“, erschienen 2015 im Rotpunktverlag.