Gleichmacherei
Bei Geschäfts- und Markennamen gibt es Moden, die kommen und gehen. Nach „’s „und „r“ liegt nun „erei“ am Namensende im Trend. Da klingt vieles plötzlich gleich. Wie findet man eigentlich zeitlose und individuelle Namen?
Wer eine Firma gründet, einen Laden öffnet oder ein Produkt auf den Markt wirft, braucht dafür einen Namen. Und wer schon einmal einen Hamster gekauft oder ein Kind bekommen hat, der weiß, dass es nicht leicht ist, die Entscheidung für einen Namen zu treffen. Denn ist ein Name erst einmal in der Welt, mag man ihn ungern ändern. Was bei der Vergabe von Vornamen gilt, gilt deshalb auch für Markennamen: bloß nicht einer x-beliebigen Mode folgen.
Trotzdem gibt es Moden. Und Moden sind Moden, weil man ihnen eben doch folgt. Wie sonst kann es sein, dass so vieles ähnlich klingt? Napster, Helpster, Badoo, Yahoo, Lovoo, Shopify, Spotify, Storify, Google, Doodle, Flickr, Tumblr. Schon vor etlichen Jahren, nämlich im Jahr 2007, hat der Linguist William F. Styler über syllabic consonants, also Silben-bildende Konsonanten als Namens-Trend im Web 2.0 geschrieben. Das kann man hier nachlesen.
Ein aktuellerer und lokaler Namens-Trend kommt leicht antiquiert daher und versprüht erdigen Heimatcharme oder sowas ähnliches. Ob Maß-Greißlerei, Praterei, Tasterei, Markterei, Mutmacherei, Bunkerei – eine Eierei hat die betriebswirtschaftliche Namensgebung in und um Wien befallen. Die Anlehnung an Meierei, Spezerei, Bäckerei, Metzgerei, Konditorei und Co. lässt das Spannen gedanklicher Bögen zu, die bis in Zeiten reichen, in denen auf Mittelhochdeutsch gebrandet wurde. Das suggeriert Beständigkeit, Dauerhaftigkeit und damit Nachhaltigkeit. Das passt in die Zeit und ist romantisch obendrein. Tandaradei.
Die Namerei setzt auf Tradition und schafft Nachvollziehbarkeit, denn auf irgendwas sind die Namen mit dem -erei am Ende in allen Fällen zurückzuführen, ob Ort oder Produkt. Das wirkt transparent. Mit der bewussten Bodenständigkeit passen die Namen für viele besser in den Zeitgeist, der sie aktuell umgibt, als globalisierungstaugliche Phantasienamen. Auch wenn sie Zeitlosigkeit vortäuschen, dürften sie trotzdem eine Modeerscheinung sein.
Wie findet man einen wirklich guten Produktnamen?
Einen zeitlosen Namen für seinen Laden oder sein Produkt zu finden ist nicht leicht – oder vielleicht doch viel einfacher als man denkt? Wenn man partout keine Ahnung hat, wie man das Ergebnis seiner eigenen Kreativität benennen soll, dann gibt es im Netz Generatoren, die bei der Namensuche inspirieren können, zum Beispiel diesen oder diesen. Glaubt man wirklich, auf die Generatoren angewiesen zu sein, sollte man sich das mit dem Schritt in die Selbständigkeit allerdings noch einmal überlegen. Wir haben die Namens-Generatoren getestet. Vergesst sie einfach.
Eine andere Lösung wäre, die Dienste professioneller Namens-Erfinder in Anspruch zu nehmen. Der Guru der Branche heißt Manfred Gotta. Aus seiner Feder stammen Namen wie Twingo oder Smart. Große Firmen lassen sich seine Dienste gerne etwas kosten, denn am Ende seiner Beratung liefert er Vorschläge, die auf ihre Tauglichkeit in verschiedenen Sprachen, auf Doppeldeutigkeiten und schließlich auf die rechtliche Situation hin geprüft wurden. Dabei entstehen so lyrisch anmutende Kreationen wie „Persil Megaperls“. Für seine Namen kassiert der ehemalige Werbetexter Gotta angeblich bis zu 200.000 Euro, was diese Variante der Namensentwicklung eher ungeeignet für Start-ups macht. Übrigens ist der Name von Gottas eigener Agentur überraschend schlicht gehalten: Gotta Brands. Das könnte ein Hinweis sein. Vielleicht ist der klassische Rückgriff auf den eigenen Nachnamen der einzige Garant für Zeitlosigkeit und Individualität beim Namen.
Umbenennen geht auch
Wenn sich diese Annahme oder ein gewählter Markenname als falsch erweise sollten, ist das nicht zwingend ein Drama. Es soll schließlich Leute geben, die noch heute Raider denken, wenn sie Twix schmecken. Der Schokoriegel wurde hierzulande 1991 umbenannt. Das ist fast ein Vierteljahrhundert her, und trotzdem wissen selbst Menschen, die damals noch keine Cola trinken und einen Schokoriegel höchstens mit Geschwistern teilen durften, dass Twix mal Raider hieß.
Deshalb gilt: Was Werbetexter auch erzählen – wichtiger als sein Name bleibt das Produkt selbst. Alles andere ist Firlefanzerei.