Pop und Fleischverzicht – 10 Songs zum Thema Vegetarismus
Ernährung ist ein sehr polarisierendes Thema. Das wissen auch Musiker. Trotzdem oder gerade deswegen machen manche aus ihren Ernährungsgewohnheiten kein Geheimnis und singen darüber. Wir haben ein paar Songs zum Thema Vegetarismus gesammelt.
Dass Prominenz von Musikern dabei helfen kann, für ein bestimmtes Thema Aufmerksamkeit zu erzeugen, hat die Tierschutzorgansiation PETA schon in den 80er-Jahren erkannt. Seither werden regelmäßig Benefiz-Alben veröffentlicht. Zudem wird mit PETA2 ein eigenes Jugendportal betrieben, auf dem auch verstärkt vegetarische/vegane Musiker präsentiert werden.
Die Themen Ernährung, Vegetarismus, Veganismus, Tierrechte sind im (politischen) Hardcore-Genre sehr häufig anzutreffen, im Pop und im Metal hingegen eher selten. Zudem wird die Thematik sehr unterschiedlich propagiert. Die Song-Texte reichen von missionierend, ja sogar anklagend bis hin zur Beschreibung der eigenen Situation und warum Vegetarismus/Veganismus für einen selbst wichtig ist.
Wir haben zehn Songs exemplarisch herausgegriffen und diese kommentiert. Links zu weiteren Songs finden sich darunter. Sollten wir wichtige vergessen haben, dann postet diese in den Comments.
The Smiths – „Meat Is Murder“
Gegen die von The-Smiths-Frontman Morrissey 2014 getätigten Aussagen wie „I see no difference between eating animals and paedophilia. They are both rape, violence, murder.“ oder „If you believe in the abattoir then you would support Auschwitz. There’s no difference.“ wirken die Lyrics zum Song „Meat Is Murder“ (1985) geradezu harmlos. Da heißt es beispielsweise: „And the flesh you so fancifully fry / Is not succulent, tasty or kind / It’s death for no reason / And death for no reason is murder.“
Von wegen jugendliche Wut. Morrissey kommt als alternder Wutbürger erst so richtig in Fahrt. Wobei Fleischessern an den Kopf zu werfen, sie wären alle Mörder, trägt – gelinde gesagt – doch auch etwas Konfliktpotenzial in sich. Trotzdem schaffte es das Album (als einziges von The Smiths übrigens) auf Platz 1 der britischen Charts. Gerüchte besagen, Morrissey hätte schon damals seinen Bandkollegen verboten, sich beim Fleischessen fotografieren zu lassen. Heutzutage umgibt er sich gar nicht mehr mit solchen – also Carnivoren. Auch eine Möglichkeit. „Meat Is Murder“ hat aber sicher eine ganze Generation von Indie-Fans zu Vegetarieren gemacht. Und Morrissey ist seit Jahrzehnten eines der wichtigsten Sprachrohre für Fleischverzicht. Wenn zuletzt auch mit irrwitzigen Aussagen und Vergleichen (siehe oben).
Dead Prez – „Be Healthy“
Mit „Be Healthy“ haben die Hip-Hopper von Dead Prez schon im Jahr 2000 so etwas wie eine Veganer-Hymne geschrieben: „I don’t eat no meat, no dairy, no sweets / only ripe vegetables, fresh fruit and whole wheat / I’m from the old school, my household smell like soul food, bro / curried falafel, barbecued tofu / no fish though, no candy bars, no cigarettes / only ganja and fresh-squeezed juice from oranges / exercising daily to stay healthy.“
Ja, auch Hip-Hopper kümmert sowas. Vor allem, wenn sie sich – wie Dead Prez – als (links-)politische Band verstehen, die sich gegen die Unterdrückung von Afro-Amerikanern einsetzt. Da werden von Bandmember Stic schon mal Pamphlete wie „7 Ways to Eat Good While on a Hood Budget“ veröffentlicht oder gleich eine ganze Gesundheitsbewegung namens RBG Fit Club ausgerufen. Über deren Website gibt es dann nicht nur Trainingsanleitungen und Ernährungstipps, sondern man kann auch gleich vegane Kochbücher oder Shirts mit Aufdrucken wie „Healthy is the new Gangsta“ kaufen. Dead Prez haben nicht nur den Humor (auf Konzerten werden auch schon Mal Äpfel an die Zuschauer verteilt), sondern auch die Credibility, um Aufklärungsarbeit in Gesellschaftsschichten zu leisten, die nicht ohnehin schon von Ökos und Vegan-Hipstern durchdrungen ist. Und ihre Musik ist nur ein Tool davon.
Prince – „Animal Kingdom“
Auch der Exzentriker Prince hat sich schon 1998 in einem Song als bekennender Vegetarier geoutet. In „Animal Kingdom“ heißt es – wenig belehrend und eher seine eigene Einstellung beschreibend – u.a.: „No member of the animal kingdom nurses past maturity / No member of the animal kingdom ever did a thing 2 me / It’s why I don’t eat red meat or white fish / Don’t give me no blue cheese / We’re all members of the animal kingdom / Leave your brothers and sisters in the sea.“
Spät aber doch, wurde ihm dafür 2006 dann auch die zweifelhafte Ehre zu teil, in einer PETA-Umfrage zum „World’s Sexiest Vegetarian“ gekührt zu werden. Da er sich nicht weiter zu seinen Ernährungsgewohnheiten äußert, wird in Prince-Foren noch immer spekuliert, ob er Veganer oder doch „nur“ Vegetarier wäre. Wahre Fans interessiert so etwas offenbar.
Nina Hagen & Lene Lovich – „Don’t Kill The Animals“
Lene Lovich war Ende der 70er und Anfang der 80er in der US-New Wave-Szene unterwegs. Mit „Lucky Number“ landete sie so etwas wie einen Hit. Seit den 80ern ist sie aktive Tierrechtsaktivistin. Gemeinsam mit Nina Hagen veröffentlichte sie 1986 die Single „Don’t Kill The Animals“. Im Songtext stoßen sie sich vor allem an Tierversuchen, aber auch am Fleischkonsum: „Life is for living — the animals agree / If they were meant to be eaten / They’d be growing on trees / So no more torture of our furry friends / In the name of food or scientific ends / The pressure is on — be antivivisection!“
1991 erschien der Song in einer Remix-Version erneut auf dem „Tame Yourself”-Benefiz-Sampler für PETA. Lene Lovich war auf der Compilation in einem weiteren Duett mit Erasure vertreten. Der Song hieß „Rage“ und ging auch nicht zimperlich mit Fleischessern um. Der Appell an die Moral dürfte aber nur bei den wenigsten funktionieren: „Stop! think! before you chew. / Don’t eat a creature, that won’t eat you. / Food for everyone, / Let’s all eat – it’s so much fun. / Let that chicken be! A cow is not a factory! / Fast food slaughter – a criminal waste. / We’ve got to tune ourselves into a new morality. / Make some improvement on the human race.“
The Pretenders – „Waste Not Want Not“
Chrissie Hynde ist laut Wikipedia seit Jahrzehnten eine passionierte Tierrechtsaktivistin. Sie unterstützt nicht nur Tierrechtsorganisationen wie PETA oder Viva, sondern betrieb auch vier Jahre lang ein veganes Restaurant namens VeggiTerranean in Akron, Ohio. Bereits 1981 fand sich auf „Pretenders II“ der Song „Waste Not Want Not“. Im Songtext wird Fleischessern fehlender Respekt vor Tieren vorgeworfen: „Do unto others as you wish be done to you / There’s a million lies ‚round everything true / You slaughter when you feast, you disrespect the beast / Make our beds and lie there, take your share / Waste not, want not, pick it up.“ Und das Anfang der 80er-Jahre: The Pretenders waren mit dieser Positionierung ganz schön früh dran.
Jens Friebe – „Theke mit den Toten“
Als Musiker und gleichzeitig Journalist nützt Jens Friebe regelmäßig seine Möglichkeiten um auf die Vorteile von Fleischverzicht hinzuweisen. Sei dies im FAZ-Feuilleton oder in Songs wie „Theke mit den Toten“ (erschienen auf dem 2005er-Album „In Hypnose“). Darin heißt es u.a.: „Es gibt Öl, es gibt Mehl / Es gibt Brot, und es gibt Wein / Doch kein Tropfen Blut fließt durch ein Herz aus Stein / Kaufhaus ist Paradies / Schlachthaus blutiges Verließ / Doch an der Theke mit den Toten kaufst du ein.“
Friebe scheut sich nicht anzuprangern. Bei begeisterten Fleischessern wird der Vorwurf ein Herz aus Stein zu haben wohl eine angriffige Gegenreaktion auslösen. Solche Songzeilen oder Aussagen wie „mit mehr Vegetariern ginge es der Welt besser” sind bewusste Positionierungen, die nicht jeder Kritiker des Fleischkonsums einnehmen will. Die andere Fraktion beschreibt Friebe im oben verlinkten FAZ-Artikel selbst am besten am Beispiel von Jonathan Safran Foer und dessen Buch „Tiere essen“, „der [mit der] darin entwickelten These, die Massentierhaltung bereite dem einen oder anderen Tier die eine oder andere Unannehmlichkeit, soeben die Weltöffentlichkeit erstaunt hat. Foer weiß aber auch, dass man als populär unverklemmter Aufklärer den Bogen nicht überspannen und den Leuten auf keinen Fall mit einer ernsthaften moralischen Forderung kommen darf. Die Synthese zwischen ‚kritischer Einstellung‘ und erbärmlichem Behagen muss zu jeder Zeit gewährleistet bleiben.“ Wie treffend!
Reinhard Mey – „Die Würde des Schweins ist unantastbar“
Wenn Reinhard Mey in „Die Würde des Schweins ist unantastbar“ über moderne Tierhaltung und Vegetarismus singt, dann ist das ganz genau so Alt-68er/Öko-Hippie-mäßig, wie man sich das so vorstellt. Der Liedermacher der klassischen Art – bekannt durch Songs wie „Über den Wolken“ oder „Loch in der Kanne“ im Duett mit Rainhard Fendrich – geht von einem heile Welt-Szenario aus der Zeit vor der Industrialisierung der Tierhaltung aus und beklagt, dass es jetzt (also 1992, als der Song am Album „Alles geht!“ veröffentlicht wurde) nicht mehr so ist: „Sie hat den Himmel nie gesehn, / Durft‘ nie auf einer Weide stehn, / Hat nie auf trockenem, frischem Stroh gesessen. / Sie hat sich nie im Schlamm gesuhlt, / Freudig gepaart und eingekuhlt – / Wie könnte ich dies / Häufchen Elend essen? / Die Speisekarte in der Hand / Seh‘ ich über den Tellerrand / Und kann die Bilder wohl nie vergessen. / Ich möchte nicht, du armes Schwein, / An deinem Leid mitschuldig sein, / Weil ich in diesem Restaurant zu Gast war. / Und ich bestell‘ von nun an wohl / Den überback‘nen Blumenkohl. / Die Würde des Schweins ist unantastbar!“
Der Einsatz des Moralzeigefingers in Verbindung mit „Früher war alles besser“-Nostalgie ist beinahe schon putzig. Interessanterweise beschreibt Mey genau jene Art von idealer Tierhaltung, die Billa seinen Kunden mit dem „Ja! Natürlich“-Schweinderl vorgaukelt. „Die Würde des Schweins ist unantastbar“ ist übrigens nicht der einzige Vegetarier-/Tierrechtssong von Reinhard Mey. 2006 veröffentlichte er mit „Frei!” ein ganzes Album mit Tier(rechts)liedern.
Cattle Decapitation – „Lips And Assholes“
Anderes Genre, andere Message: Cattle Decapitation wurden 1996 im Hardcore-Umfeld gegründet und haben sich später immer mehr in Richtung Grindcore/Death Metal entwickelt. Dort wird für Artwork und Merchandise seit jeher mit Gore-Elementen und sehr expliziten Darstellungen gearbeitet. Auch Cattle Decapitation übernahmen diese Ästhetik. Da sich sämtliche Texte aber ausschließlich um Tierrechte, Menschenrechte oder Umweltzerstörung drehen, verwendeten sie für ihre Albencover immer Darstellungen von Tieren, die Menschen als Versuchsobjekte verwenden oder diese schlachten. Auch die Songtexte sind sehr direkt. „Lips And Assholes“ vom „Humanure“-Album (2004) ist nur ein Beispiel unter vielen: „You did not kill it / You did not clean it / You’d probably fuck it if you couldn’t eat it / Sick, depraved everyday human / Stupid consumer with faith in humanity / Led without a fight straight to the grave / Birth, agony, death / Defiled, processed, packaged / Scanned, purchased, prepared / Eaten, digested feces.“
Dass einige Albencover und auch Videos bereits indiziert wurden, verwundert nicht weiter. Was für Cattle Decapitation allerdings nicht ganz so lustig sein dürfte ist die Tatsache, dass sie mit ihrer doch recht extremen Art von Musik nur eine bestimmte Nische erreichen. Und den meisten Metal-Fans, die sich für diese Art von Musik begeistern, sind Vegetarismus, Veganismus oder Tierrechte ziemlich Blunzn. Wenn man sich ein paar Video-Interviews mit Cattle Decapitation auf Youtube ansieht, tut einem die Band richtig Leid. Entweder es kommen gar keine Fragen zu den Songtexten oder sie werden gebeten, gewisse Songs zu erklären.
Heaven Shall Burn – „Voice Of The Voiceless“
Zwischen Metalcore und melodischem Death-Metal bewegen sich Heaven Shall Burn. Auch nicht gerade ein Genre, das für ausuferndes Ernährungsbewusstsein bekannt ist. Trotzdem nehmen Heaven Shall Burn einen aktiven Pro-Vegan-Standpunkt ein, den sie auch gerne in PETA-Kampagnen vertreten. Schon 2004 erschien z.B. auf dem Album „Antigone“ der Song „Voice Of The Voiceless“: „See them die! / They Die! / A rain of blood should cover our world / Stench and decay should be the only thing we sense / But hidden in the dark and erased from our heads / Barbarity and slaughter are everywhere / A contemptible ethic, a relict / For the weakest of the weak / For the lowest of the low / My voice for the voiceless / My fists for the innocent.“
Geht es um Ernährung, so brennen bei Musikfans offenbar seltener die Sicherungen durch als bei Usern von Online-Foren traditioneller Medien. Trotz des Einsatzes für Tierrechte zählen Heaven Shall Burn derzeit nämlich zu den erfolgreichsten Metal-Bands Deutschlands. Auch wenn sich vermutlich nur ein kleiner Teil ihrer Hörerschaft dafür interessiert.
Youth Of Today – „No More“
In der Hardcore-Szene wurden Tierrechte/Vegetarismus/Veganismus immer schon in Songtexten thematisiert. Fleischverzicht wurde oft als moralische Komponente der Subkultur gesehen. Einer der bekanntesten Songs dieses Genres ist „No More“ von Youth Of Today (erschienen 1988 auf dem „We’re Not in This Alone“-Album), in dem es u.a. heißt: „Meat eating flesh eating think about it / So callous to this crime we commit / Always stuffing our face with no sympathy / What a selfish, hardened society so / No More / Just looking out for myself / When the price paid is the life of something else, / No More / I won’t participate.“
Sehr ungewöhnlich für die Hardcore-Szene: Ray Cappo, Porcell, Walter Schreifels und Sammy Siegler produzierten für den Song sogar ein eigenes Musikvideo. Übrigens das einzige von Youth of Today. Die meisten Bandmitglieder – mittlerweile in zahlreichen anderen Bands gelandet – propagieren auch heute noch Fleischverzicht.
Weitere Songs zum Thema Vegetarismus
Paul McCartney – „Looking for changes“
Silverchair – „Spawn Again“
Propagandhi – „Nailing Descartes to the Wall/(Liquid) Meat is Still Murder“
MDC – „Real Food, Real People, Real Bullets“
Extreme Noise Terror – „Murder“
Napalm Death – „Food Chains“
Earth Crisis – „New Ethics“
Shelter – „Civilized Man“
Good Clean Fun – „Beat The Meat“
Seven Generations – „Ritual“
NoFX – „Vegetarian Mumbo Jumbo“
Für Interessierte: Download-PDF mit allen Songtexten.