Von der Sehnsucht nach zärtlicher Sabotage

Das Peng Collective sprengte die Veranstaltung "Shell Science Slam" mit der Aktion "Giant Oil Spill". Bild: Peng

Das Peng Collective sprengte die Veranstaltung „Shell Science Slam“ mit der Aktion „Giant Oil Spill“.
Bild: Peng

Das Peng Collective beschreibt sich selbst als eine Gruppe von „Aktivist_innen, Künstler_innen, Handwerker_innen und Wissenschafter_innen, die politische Kampagnen mit kreativen Aktionen zivilen Ungehorsams und Subversion bereichern“. Im Workshop auf der Recampaign, der Fachkonferenz für die Zivilgesellschaft im Web, kann man das von ihnen lernen. Wir haben Peng-Collective-Aktivist Jean Peters vorab befragt.

Was mit zivilem Ungehorsam und Subversion gemeint ist, konnte man im Dezember 2013 beim „Shell Science Slam – Deine Idee für eine Zukunft der Energie“ sehen. Der Ölkonzern hatte mit der Veranstaltung junge Wissenschaftler geladen, ihre kreativen Ideen zum Thema Erneuerbare Energien zu präsentieren. Offensichtlich wollte Shell mit der Veranstaltung das eigene Image positiv aufladen. Das Peng Collective sprengte die Veranstaltung mit der Aktion „Giant Oil Spill„.

BIORAMA: Wie seid ihr auf die Idee zum „Giant Oil Spill“ gekommen und was war euer Ziel?

Jean Peters: Die Idee hat uns Shell gegeben. Sie waren so frech und haben selbst zu dieser absurden Greenwashing-Aktion aufgerufen, woraufhin wir uns zunächst einfach mal beworben haben. Und so ist auch die Idee und Kampagne geboren.

Im Groben haben wir die PR-Maschinerie von Shell auflaufen lassen wollen. Damit wiesen wir automatisch auch nochmal auf die Verantwortungen dieses Unternehmens hin – sei es, die schrecklichen Schäden in Nigeria zu stoppen und zu rekompensieren oder die waghalsigen Pläne in der Arktis zu stoppen. Der NGO-Szene wollen wir damit aber auch sagen: Schaut mal, humorvoller ziviler Ungehorsam ist effektiv und macht auch noch Spaß.

Eure Aktion hat für viel Aufmerksamkeit gesorgt. Könnt ihr ein paar Monate später auch weitere Erfolge aufweisen, die zu tatsächlichen Veränderungen geführt haben? Hat zum Beispiel die Kampagne „Save the Arctic“ von Greenpeace mehr Unterstützer bekommen oder hat Shell seine CSR-Strategie geändert?

Leider konnte mir Shell nicht bestätigen, dass sie ihren Dreck im Niger-Delta aufräumen oder die Arktis-Bohrungen stoppen werden. Doch wir bleiben dran. Was für Shell deutlich wurde, ist, dass nicht allein Greenpeace gegen sie mobilisiert und somit der Protest nicht mehr einzuschätzen ist. Das führt durchaus zu Unruhe im Unternehmen. Durch die Reaktionen der Mitarbeiter von Shell wurde an dem Abend auch deutlich, wie diese die Aktion bewundern, es aber nicht eingestehen dürfen.

Für mich persönlich ist genau diese Unterstützungswelle das Beeindruckendste. Uns wurde von Anwälten, Filmproduzenten und Designern, sogar von einem Pyrotechniker Unterstützung angeboten. E-Mails kamen aus Neuseeland, den Philippinen bis aus Brasilien, wo die Menschen uns schrieben, wie inspiriert sie waren. „Ich habe meine ganze Familie vor Youtube zusammengetrommelt. Vielen Dank für eure Aktion!“ schrieb einer. Eine Frau hat ihren alten Job gekündigt und will nun Aktionskünstlerin werden. Dass wir so viele Menschen so persönlich berühren würden, hätte ich nicht erwartet. Wir scheinen da ein Bedürfnis getroffen zu haben. Ich bin mir nicht sicher, wie man das genau definieren kann, doch es ermutigt uns, weiterhin über den gewöhnlichen Campaigner-Tellerrand hinaus nach Veränderungsmöglichkeiten zu suchen.

Wir reden da also von einem kulturellen Wandel, der ansteht, denn viele Menschen haben die PR-Maschinerie satt und sehnen sich nach mehr zärtlicher Sabotage, wie ich es gerne nenne. Auch die der NGO-Szene. Ich habe da keine universelle Lösung oder großen Plan, der alles löst, aber mit Peng bieten wir Taktiken und Strategien an, einer intensiveren Sehnsucht nach Wandel Raum zu geben.

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Jean Peters, Aktivitst beim Peng Collective.
Bild: Jean Peters

Ungehorsam und Subversion – ist das Provokation zum Selbstzweck oder sind das Aufmerksamkeitskampagnen mit Impact?

Beides. Diese Arbeit macht immer Spaß. Doch wir müssen auch aus dem traditionellen Kampagnendenken heraustreten. So sehr Peng auch mit den eigenen Widersprüchen anti-kapitalistischer Verwertbarkeit kokettiert, wir haben auch ein klares Anliegen: Wir wollen die Legitimität der zivilgesellschaftlichen Agenten wiederherstellen. Lobby- und Pressearbeit wird auf Dauer nicht reichen, um den Systemwandel zu erreichen, für den die Zivilgesellschaft einstehen muss. Dafür sind die momentanen Krisen zu heftig und die Macht- und Interessensunterschiede zwischen Zivilgesellschaft, Wirtschaft und Politik zu groß. Wir müssen mehr direkte Aktion wagen, um Demokratie ermöglichen zu können. Um es gewaltfrei und legitimiert zu gestalten, bedarf das natürlich viel Recherche und Planung, doch europäische NGOs haben dazu die Budgets – es sind politische Richtungsentscheidungen, persönliche Karriereinteressen und institutionelle Starrheiten, die meist im Weg liegen.

Doch es gibt auch Wege, damit umzugehen – etwa durch Outsourcing an Peng und Hinterzimmergespräche zur Planung radikalerer Aktionen, die Presseaufmerksamkeit zu bestimmten Themen binden. Das wäre mal eine sinnvolle Anpassung ans System, die Werber von VW und Bahn AG machen das nicht anders. Man kann sich nach einer Aktion dann auch noch von unseren Mitteln distanzieren, um Spenderflucht zu vermeiden und die entsprechenden Factsheets zum Thema an die Presse geben.

Auf eurer Website ruft ihr zu Spenden für neue Aktionen des zivilen Ungehorsams auf. Was passiert mit den Spenden?

Die Spenden fließen alle zu 100% in unsere nächsten Projekte. Doch es ist nicht viel, was dabei rumkommt, weil es keinen Spaß macht, Geld einzutreiben. Die Fundraising-Welt finde ich verzwickt, denn es geht letztendlich um den Kauf von Illusionen anstelle von eigenem Engagement. In unserem Fall verkaufen wir auch Lifestyle, eines der perfidesten Produkte, wenn man sich die einfache Handlung des Unterstützers anschaut.

Doch zugleich sind wir natürlich darauf angewiesen, Kohle zu haben. Wenn wir Maschinen bauen, Filme schneiden – das kostet alles Zeit und Geld, was wir meistens aus eigenem Verdienst abzwacken, und uns ist bewusst, wie viel mehr wir wuppen könnten, wenn wir ein höheres Budget hätten.

Auf der Recampaign hältst du mit Faith Bosworth von Tactical Tec einen Workshop. Kannst du die drei wichtigsten Punkte nennen, die man bei einer Aktion beachten muss, damit sie erfolgreich ist im Sinne zivielen Ungehorsams und Subversion?

Ich denke ziviler Ungehorsam und Subversion sind Taktiken, kein Ziel, das erfolgreich erreicht werden kann. Doch ich empfehle absolute Gewaltfreiheit, Humor und strategische Einbindung in eine gut geplante Kampagne – die wiederum Ziele erfolgreich erreichen kann. Zudem sollte man sich absichern, dass man eine klare Legitimität im demokratischen Sinne hat. Also eine deutliche Unterstützung der Gesellschaft mit klar definierten Werten – sonst wird es napoleonisch.

Damit eine Aktion gelingt, sollte man natürlich auch gut recherchieren und die eigenen Werkzeuge beherrschen: sei es mit verschiedenen Identitäten zu schauspielern oder Online-Tools zu nutzen, sei es Gelände zu besetzen und dazu Sicherheitssysteme von Waffenhändlern zu knacken ohne rechtlich verwertbare Spuren zu hinterlassen oder Börsenkurse von Unternehmen zu manipulieren, die sich auf Nahrungsmittelspekulation spezialisieren. Je nach Aktion besteht auch immer ein Risiko, was man nicht unterschätzen sollte. Aber Übung macht die Meisterin!

Weitere Infos:
peng-collective.net
slamshell.com

 

Gemeinsam mit Faith Bosworth von Tactical Tech wird Jean Peters auf der Recampaign 2014 einen Workshop mit dem Titel „Zeit für Sabotage! – Ziviler Ungehorsam mit Humor“ durchführen.

Recampaign
Fachkonferenz für die Zivilgesellschaft im Web
24. bis 25. März 2014
Berlin, Heinrich-Böll-Stiftung
recampaign.de

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