Fällt der WKO nix mehr ein, kommt sie mit dem Gewerbeschein
In Oberösterreich möchte die Wirtschaftskammer Anzeigen gegen Food Coops erstatten. Es ist Zeit, über Zivilkapitalismus nachzudenken, meint Juliane Fischer.
Die Wirtschaftskammer Oberösterreich möchte Food Coops anzeigen, weil die Vereine direkt beim Bauern einkaufen. Ohne Gewinnabsicht, aber auch ohne Handelsspanne. Zeit über Zivilkapitalismus nachzudenken und darüber, was den Handel wirklich blockiert. Eigenverantwortliche und reflektierte Kunden, Angebot und Nachfrage – Spielt das alles keine Rolle mehr?
Immer mehr Menschen setzten sich mit Produktion und Herkunft ihrer Lebensmittel auseinander. Sie sehen sich als aktiven Teil des Marktes und wissen, dass Nachfrage und Angebot sich bedingen. Sie setzen bewusst ein Statement gegen die Policy der Supermarktketten, wenn sie sagen „Ich esse, was gerade reif ist. Paradeiser und Erdbeeren brauche ich nicht im Jänner“ oder „Ich möchte nicht, dass Lebensmittel quer über den Globus geliefert werden müssen“.
Vor allem die wenigen verbleibenden kleinen Nahversorger könnten reagieren auf diese Konsumenten, die zunehmend kritischer werden. Sie könnten mit Bauern aus dem Umfeld zusammenarbeiten und sich damit positiv von ihren wahren Konkurrenten, den großen Supermarktketten abgrenzen. Denn für große Supermarktketten ist der Handel mit Produkten aus Familienbetrieben schwer. Kleine Betriebe bringen nicht die Mengen auf, um sie zu beliefern.
Stattdessen nehmen die bewussten Einkäufer das in die Hand. Sie gründen einen Verein, mieten einen Keller und bestellen selbst, nicht die Felder, aber direkt von dort. Bei Bauern, die sie am Hof besuchen und mit denen sie regelmäßig in Kontakt sind. Vorbildlicher Zivilkapitalismus wie Wolf Lotter ihn in seinem gleichnamigen Buch beschreibt, oder? Food Coops, nennt man diese Initiativen. Und obwohl ihr Jahresumsatz vermutlich nur den Bruchteil eines Tagesumsatzes der Lebensmittelketten ausmacht, fürchtet die Wirtschaftskammer Oberösterreich diese Konkurrenz. Sie fordert von den fünf Food Coops, die es im Bundesland schon gibt, einen Gewerbeschein. Können sie den nicht vorweisen, werden sie angezeigt. Auch wenn der Verein keinen wirtschaftlichen Vorteil hat, meint man diese Einkaufsgemeinschaften seien gewerblich, allein, dass die Handelsspannen wegfallen, ist der WKÖ ein Dorn im Auge. Die Argumentation ist absurd: Gerade weil Food Coops nichts auf die Preise aufschlagen und das Geld für die Lebensmittel zu 100 Prozent an die Produzenten geht, sei eine Gewerbeanmeldung nötig. Die Reaktion der Wirtschaftskammer Oberösterreich ist überzogen. Die Reaktion der Wirtschaftskammer Oberösterreich ist überzogen. Würde die WKÖ die kleinen Nahversorger tatsächlich stützen wollen, so könnte sie sich zum Beispiel dafür einsetzen, dass alle Kaufleute selbst entscheiden können, ob sie sonntags das Geschäft für Kirchengeher, Frühschopper u.Ä. öffnen.
Konsumenten möchte man möglichst passiv, unreflektiert und unselbstständig halten, schien es erst unlängst bei der Diskussion über das Mindesthaltbarkeitsdatum von Lebensmitteln. Traut man Menschen nicht mehr zu, zu entscheiden, wann Essen noch genießbar ist? Haben wir das verlernt und werfen deswegen im Jahr durchschnittlich 123 Kilo Lebensmittel weg, obwohl 80 Prozent der Waren noch in Ordnung sind? Eigenverantwortung und wirtschaftliches Denken – Es scheint als wolle ausgerechnet die Wirtschaftskammer das abschaffen. Sie bekämpft nämlich jene Art von Zivilkapitalismus, indem sie fröhlich reguliert. Wenn das mal kein Rückschritt ist.
Was Food-Coops eigentlich genau sind, beschreiben wir hier.
Juliane Fischer (@liabellafi) ist freie Journalistin für Die Furche, Der Falter, Die Presse, The Gap und natürlich für Biorama. Sie interessiert sich für Gegenwartsliteratur, Ökologische Landwirtschaft, Innenpolitik und eigentlich auch sonst für alles.