Die Elritze ist „Fisch des Jahres“. Warum?
Mit der Elritze wurde 2016 für Österreich ein fingerlanger, aufs Erste eher unscheinbarer Schwarmfisch zum „Fisch des Jahres“ ernannt. Was bringt ihm das? Wie lässt er sich schützen? Wie darf ich ihn im Aquarium oder Gartenteich halten? Wir haben uns dazu mit Hubert Gassner unterhalten, dem Leiter des Instituts für Gewässerökologie, Fischereibiologie und Seenkunde in Scharfling am Mondsee.
BIORAMA: Vor zwei Jahren war der Stör, 2015 die Nase und heuer ist die Elritze der „Fisch des Jahres“. Was spricht dafür, mit der Elritze einen Fisch, den die allermeisten Menschen noch nie gehört oder bewusst wahrgenommen haben, aus dem Wasser ins Bewusstsein der Bevölkerung zu heben?
Hubert Gassner: Es sprechen mehrere Argumente dafür. Es handelt sich um einen Fisch, der nicht auf den Speisekarten auftaucht, wenig bekannt ist, aber ökologisch sehr wertvoll, weil es sich um eine Zeigerart handelt. Die Elritze, auch Pfrille genannt, braucht flache, eher kalte Uferbereiche und reagiert empfindlich auf Störungen. Nach Verbauungen verschwinden sie oft, auch Badebetrieb oder Wellenschlag bedeuten ein Problem. Tatsächlich ist die Elritze in einigen österreichischen Seen verschollen. Das ist uns bei Befischungen zur Bestandsaufnahme aufgefallen. Wir untersuchen gerade alle 43 Seen, die größer sind als 50 Hektar. 33 Seen haben wir bereits befischt, zehn fehlen noch. In gar nicht so wenigen fehlt die Elritze mittlerweile.
Woran liegt das?
Das ist schwierig zu beantworten und höchstwahrscheinlich die Summe mehrerer Faktoren. Es wurden oft Seen mit neuen Raubfischarten besetzt, etwa mit Aal, Wels, Zander und Hecht (Anm.: in Deutschland 2016 „Fisch des Jahres“). Da steigt der Raubdruck auf die kleinen Fische. Außerdem braucht die Elritze kaltes, reines Wasser. Ihre Eier legt sie in den Ritzen zwischen Kieseln. Ist der Uferbereich veralgt, sterben die Eier ab. Ein Problem ist auch, dass die Elritzen nicht besonders langlebig sind und nicht alt werden. Im Aquarium werden werden die Tiere schon einmal sechs Jahre alt, in der Natur aber nur drei, vielleicht vier Jahre. Herrschen über ein paar Jahre hinweg schlechte Bedingungen, dann bricht die Population eines Gewässers zusammen. Kurzlebige Arten wie die Elritze sind da gefährdeter als Fischarten, die zehn, fünfzehn Jahre alt werden können.
Auch Badende gefährden die Gelege der Elritzen. Sie legen die Eier auf flachen Kieselbänken im ufernahen Bereich ab. Das sind oft beliebte Badeplätze. Außerdem laichen Elritzen in etwa zu der Zeit im Jahr, in der auch der Badebetrieb beginnt.
Mittlerweile ist Anglern die Praxis verboten, mit lebenden Ködern am Haken zu angeln. Früher aber waren die Elritzen auch ein beliebter Köderfisch. Hinzu kommt der Klimawandel – die Seen werden wärmer, die Elritzen müssen in tiefere Wasserschichten ausweichen, dort gibt es aber mehr Raubfische. Wie gesagt: höchstwahrscheinlich spielen all diese Faktoren zusammen.
Mit dem Einsatz von neuen Raubfischarten in Seen, in denen es die früher nicht gab und der alten Praxis der Köderfischchen deuten zumindest zwei mögliche Ursachen darauf hin dass die Hobbyfischerei nicht ganz unbeteiligt an den Problemen der Elritze ist.
Mitbeteiligt ja, darauf deutet es hin.
Hubert Gassner, Leiter des Instituts für Gewässerökologie, Fischereibiologie und Seenkunde in Scharfling am Mondsee
Ich bin selbst Angler. Aber ist es nicht fadenscheinig wenn jetzt – etwa in den Oberösterreichischen Nachrichten – behauptet wird, dass neben den harten Verbauungen der Gewässer mit mehr als 5000 Wasserkraftwerken und der Zerstörung von Nebenarmen und Seichtwasserzonen für den „drastischen Rückgang der Elritzen (…) der einseitige Schutz aller fischfressenden Tiere“ verantwortlich ist? Hört man da nicht die Hobbyfischerlobby?
Sie meinen Kormorane? (lacht) Die Kormorane interessiert eine Elritze herzlich wenig. Problematisch ist eher wenn wo viele kleine Hechte ausgesetzt werden, die fressen dann viele kleine Fische und stehen auch lauernd in Ufernähe. Aber wie gesagt: Im Nachhinein lässt sich das schwer sagen, wir haben es sicher mit einer Summe vieler Faktoren zu tun. Tatsache ist nur, dass Elritzen mittlerweile in einigen Seen fehlen, dass es aber etwa im Altausseer See einen guten Elritzenbestand gibt. Dort gibt es auch wenig Räuber.
Blicken wir zurück: Was hat sich für den Stör, die Nase oder auch Aalrutte (2011), Huchen (2012) und Seeforelle (2013) dadurch verändert, dass sie Fisch des Jahres waren?
Sie haben als Fischarten gewisse Bekanntheit erlangt und mehr Menschen wissen heute um die Probleme mancher Fischarten Bescheid. Unbedarften Österreichern ist es oft wichtig, dass der See blau ist, dass man ein bissl reinsieht. Dass dann aber trotzdem oft die Ökologie nicht passt, wissen wenige – und auch das bringen die Fische des Jahres der Bevölkerung näher. Ist der Fisch des Jahres einer, der auch gern gegessen wird, dann bedeutet seine Kür zum „Fisch des Jahres“ immer auch, dass heimischer Speisefisch beworben wird.
Noch einmal zurück zur Gewässerverbauung. Alle wasserreichen Länder wollen die Wasserkraft ausbauen, um Klimaziele zu erfüllen und Emissionen zu senken. Hat die Elritze da überhaupt eine Chance?
Der Ausbau betrifft eher die Fließgewässer. Wobei es oft auch in Stauseen Elritzen gibt, wenn die Bedingungen passen. Etwa im Hubertus Stausee in Mariazell, dort gibt es einen schönen Elritzenbestand auch wenn so ein Stausee kein natürliches Habitat ist. Wichtig ist für sie ein schattiges, kaltes Ufer. Die Elritze ist bei uns nicht vom Aussterben bedroht, aber mancherorts verschwunden. Interessant ist, dass die Elritze wie der Saibling heute auch in vielen Bergseen vorkommt. Dorthin sind die Fische auch künstlich gelangt. Sie wurden in früheren Zeiten dort von Hirten eingesetzt – als Nahrungsmittel.
Laut Wikipedia werden Elritzen auch „zur Überwachung der Trinkwasserqualität eingesetzt“. Wie kann man sich das vorstellen?
Das kann ich mir wiederum schwer vorstellen. Ins Trinkwasser darf ich allein schon wegen der Verkeimung keine Fische einsetzen. Aber beim Überprüfen von Brauchwasser ist die Elritze ein guter Indikator, die Tiere zeigen etwa bei Verunreinigungen Verhaltensänderungen.
- Forschungsobjekt: die Elritze. Der fingerlange Fisch reagiert empfindlich – auch wenn im Uferbereich viel gebadet wird.
Die Elritze ist der erste „Fisch des Jahres“ seit langem, den man auch privat im Gartenteich oder sogar im Aquarium beobachten kann. Würden Sie das empfehlen?
Wir haben es durchaus mit einer schönen Fischart zu tun. Ein Problem ist leider oft, dass im Aquarienhandel auch exotische Elritzenarten auftauchen, etwa amerikanische Arten, weil die schöner schimmern. Wenn‘s Aquarianer dann nicht mehr g’freut, werden die Tiere in Gewässern ausgesetzt und können sich vermehren. Wir kennen das auch vom Sonnenbarsch.
Aquarianer sollten ihren Fokus jedenfalls auf heimische Elritzen richten und keinesfalls Exoten aussetzen, die können sonst massiv Schaden anrichten.
Wo bekomme ich denn heimische Elritzen? Die Tiere einfach aus dem Teich oder Bach zu fangen, geht ja nicht.
Man braucht ganz offiziell eine Angelfischereilizenz, kann jemanden fragen, der so etwas hat oder man kauft die Tiere bei einem Fischzüchter. Zu beachten ist, dass es auch Seen gibt, wo die Elritze mittlerweile ganzjährig geschont ist. Dort darf ich sie auch mit Lizenz nicht entnehmen.
Kann ich als einzelner etwas dazu beitragen, dass es der Elritze gut geht?
Das ist schwierig. Beim wilden Baden darauf achten, ob sich Elritzen in der Nähe tummeln. Wenn das so ist, dann gerade ins Wasser gehen und nicht im Uferbereich herumstapfen. Dann bleiben die meisten abgelegten Eier unversehrt.
Von 30. bis 31. Jänner findet in Tulln die Fischereimesse „iFish“ statt.